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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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gehörten, in der er gelebt hatte oder nicht, jede spendete einen gewissen Trost, da war ein Glanz in seiner Stimme, wenn er erzählte. Sie wusste, was er war. Ein Dieb. Ein ehemaliger Rumschmuggler. Er hatte gutes Geld damit verdient, einen Mann umgebracht, deswegen im Knast gesessen. Dort Kartentricks gelernt.
    Als sich das Schweigen im Wagen ausbreitete, brach sie es nicht, wollte es nicht verletzen aus Angst, er könne seine Uhr hervorziehen und darauf hinweisen, es sei Zeit, sie nach Hause zu bringen. In dem Schweigen brannte seine Zigarette herunter, er drückte sie aus.
    Zu ihren Füßen lag ein Buch aus der Bibliothek. Es war ihr schon vorher aufgefallen, wie hingeworfen lag es da, das Cover nach unten, die goldenen Buchstaben auf dem Deckel unter dem glänzenden Plastik, der weiße Aufkleber mit der Signatur schief unten auf den Rücken gedruckt. Es erstaunte sie – ihr Vater hielt nicht viel von Büchern, nannte sie Gekrakel –, mit dem Fuß drehte sie es um, las den Titel laut. Er warf einen Blick nach unten.
    »Nimm es«, sagte er.
    »Soll ich es für dich zurückbringen?«
    »Nee.« Er zuckte mit den Schultern. »Es hat jemand liegen lassen, jetzt gehört es dir.«
    Er drehte sich noch eine Zigarette, ließ seine Scheibe ein bisschen tiefer herunter und fing an zu erzählen, dass der Mond, der jetzt aufging und bald voll wäre, ein Jägermond sei, aber die Indianer würden ihn den Mitten-dazwischen-Mond nennen, und Jane wusste, dass er solche Dinge wusste, weil er am Ende des Tages meistens in der Green Lantern oben an der Route 6 landete und sich mit Victor Perry einen hinter die Binde kippte, dem Letzten des Indianerstammes Troy aus dem Reservat, jenem kargen, knorrigen Land, das die Indianer bekommen hatten, als sie im King Philips Krieg gegen ihre eigenen Leute kämpften. Victor Perry war der letzte männliche Nachkomme der letzten Familie, der Sohn eines berühmten Kräutermannes, und als sich die Stadt Fall River das Reservat 1916 per Enteignung zum Zweck der Wasserversorgung unter den Nagel riss, im Austausch für gut hundert Hektar Land, gab man Victor ein neues Haus direkt die Straße hoch und eine lebenslange Arbeitsstelle, setzte ihn als so was wie einen ortsansässigen Verwalter des Landes ein, das einst seinem Volk gehört hatte, bevor die Stadt es sich nahm.
    Ihr Vater hatte ihr die Geschichte über die Perrys schon öfter erzählt, viele Male, zu viele Male. Er erzählte sie so, als hätte sie eine bestimmte Bedeutung, als sei das Schicksal eines anderen Mannes oder eines Stammes eine gute Erklärung dafür, warum er selbst immer Ärger hatte, eine gute Rechtfertigung dafür, warum er stahl, was er stahl und immer gestohlen hatte, wo die Geschichte in Wirklichkeit doch nur offenbarte, dass er beispielsweise zum Trinken den ganzen Weg hoch zum Green Lantern an der Route 6 fahren musste, weil er es nicht wagte, einen Fuß in Lauras Kneipe unten am Anleger in Point zu setzen. Zu viele Männer da, die versucht sein könnten, es ihm mal gründlich zu zeigen. Oder Schlimmeres.
    An dem Tag des Es tut mir leid, dem Tag des Zu-spät, fragte ihr Vater, nachdem sie eine Weile im Auto gesessen hatten: »Möchtest du ein bisschen spazieren gehen, mein Schatz?«, und so gingen sie, den Weg an der Bucht entlang bis zum still daliegenden See, das Gewässer am Ende des Tages abgeschliffen bis auf seine knochenhelle Dunkelheit, still, glatt und rund. Und ein großer Blaureiher, den sie nicht bemerkt hatten, aber aufstörten, schrak hoch, stieg auf, seine gewaltigen papiernen Flügel – diese sonderbare prähistorische Form. Der Wind schlich suchend über die Oberfläche des Sees, schauderte einmal. Jane spürte, wie er in sie kroch, der Wind, so als hätte er ein Loch in ihr gefunden, und dieses Loch sog den Wind ein. Ihr Vater sagte nichts. Er stand einfach wie ein blutleerer Schatten neben ihr, sah nach unten, und ganz kurz hatte sie, ohne jeden Grund, das Gefühl, dass sich etwas geändert hatte, ohne zu wissen, was sie wusste, fühlte sie es, etwas war bereits fort – durch jenes Loch in ihr gesogen, durch das der Wind hereinströmte. Ihre Augen waren trocken wie Steine, und wohin sie auch sah, alles schien nur sich selbst zu gehören. Die Bäume waren die Bäume. Der See der See. Die Dinge waren einfach, was sie waren, und das war alles.
    Als die Dunkelheit kam, trotteten sie zum Auto zurück. Sprachen nicht. Jane stolperte über einen Stein. Er griff nach ihr, sie fing sich, sagte nichts.
    Als

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