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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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Gedankenlosigkeit. Fast hätte ich seinen Teller umgekippt, als ich ihn absetzte: Chilenischer Wolfsbarsch mit Couscous und gegrillter Ananas standen kurz davor, von der Weiße des Porzellans über die Tischkante in seinen Schoß zu rutschen. Fast hätte ich es getan, wohl wissend, dass ich es gekonnt hätte, und zwar ohne Probleme, doch in einem Sekundenbruchteil beschloss ich, der Typ sei es nicht wert, auf das gute Trinkgeld zu verzichten, das ich zu erwarten hatte (er hinterließ immer ein dickes Trinkgeld – ein Stammkunde, zweimal wöchentlich in der Hochsaison), und ich sollte es eigentlich besser wissen und sie einfach runterschlucken, diese irgendwie dumme Bemerkung, die abzugeben sein Vorrecht und die nicht unhöflich gemeint war: das Salz der Erde – vier Wörter, die eine ganze Welt streiften –, sollte ich es nicht besser wissen, als es an mich herankommen zu lassen? Bediene Gäste, seit ich sechzehn war – hab ich nicht schon Schlimmeres gehört? Und deshalb lächelte ich – weißt du mal nicht weiter, bleib einfach heiter – und stellte das letzte Gericht vor der Frau neben ihm hin, wunderschönes Haar, glatt, strohblond, und fragte die beiden, ob sie noch irgendetwas wünschten. Noch ein Glas Wein? Ja, doch, wollte er. Bringe ich Ihnen sofort, sagte ich. Ich bediente, räumte den Tisch ab, brachte Kaffee, Nachtisch und nach einer angemessenen Pause die Rechnung. Ich tat das, wofür ich bezahlt wurde.
    Als ich nach Hause kam, war es kurz nach eins, das Haus still, selbst meine Mutter schlief. Sie hatte das Verandalicht angelassen, aber nur das, und als sich der Türknauf drehte, die Tür aufschwang und ich in die schwere, dunkle Stille trat, war es, als beträte ich einen angestaubten Palast der Toten.
    Ich machte mir eine Schale mit Cornflakes, fand einen Löffel im Abtropfgestell, nahm die Schale mit ins Fernsehzimmer und legte den Film ein. Es war keiner von Nykvist. Es war der einzig gute, den Bergman ohne ihn gedreht hat. Aber es war in der Szene, in der Max von Sydow den Tod zu einem Schachspiel herausfordert, als diese einst von Nykvist gesprochenen Worte im Ganzen aus mir herausrutschten, wie Wörter das manchmal tun.
    Licht
    kann mild sein, gefährlich, traumhaft, nackt …
    Nichts als Worte. Aber ich erinnerte mich an sie und dachte an meine Mutter, die über mir im Schlafzimmer lag, und ich fragte mich, ob sie im Schlaf die Geräusche vom Fernseher hören konnte, die durch die Decke zu ihr hochdrangen. Auf einmal wusste ich, nur aus dem Bauch heraus, wie man manches eben weiß, dass sie nicht schlief, sondern wach lag, dort oben neben meinem Vater. Sie war die ganze Zeit wach gewesen, hatte darauf gewartet, dass ich nach Hause kam.
    Eigentlich sollte das tröstlich sein, oder? Zu wissen, dass sie auf mich gewartet hat, nicht dieser andere Gedanke, der an mir nagt: dass sie in meiner Einsamkeit wildert.
    Der Tod hat die Herausforderung von Sydows angenommen. Gerade haben sich die beiden hingesetzt, um zu spielen, da finde ich, dass ich es mir nicht mehr ansehen muss. Ich weiß ja, wie es ausgeht.
    Ich drücke auf den Schalter der Fernbedienung – Bäume, Landschaft, Ritter, Kapuzenwesen, Schachbrett –, klicke, lasse alles mit einem Klick verschwinden, es wird zum schmalen blauen horizontalen Streifen, einem Echo von Licht in der Mitte des Bildschirms. Zapp. Das Knacken der Cornflakes in der Schale, wenn sie mit Milch in Berührung kommen. Ich warte, bis sie sich vollsaugen.
    Rechts von mir an der Wand auf dem kleinen Tisch: das dunkle Skelett der Orchidee, die ich ihr geschenkt habe, die sie aufbewahrt, Gott weiß warum, wo doch nichts mehr zu retten ist. Und mir kommt der Gedanke, ein Moment der Versöhnung zwischen mir und dem Mann im grünen Sakko, eine Spur der Gemeinsamkeit zwischen uns könnte die Tatsache sein, dass er höchstwahrscheinlich den Unterschied zwischen einem Bergman-Film und Casablanca kennt. Über mir knarrt eine Bodendiele. Lauschen. Schritte. Leichtes Knarren, Knarzen. Lauschen. Stille. Nichts.
    Ich bilde es mir nur ein.
    Ich war sechs Jahre alt, als ich sie in dem Raum oben entdeckte. Von der Küche war ich die schmale Treppe hinaufgegangen, vorsichtig gestiegen – das weiß ich noch –, ganz vorsichtig, die Treppe so alt und steil, und ich war klein, meine Hände tasteten nach der kühlen Feuchtigkeit der getünchten Wände – ist doch sonderbar, oder? Diese zusammenhanglosen Details, an die man sich erinnert –, und als ich oben ankam, sah

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