Das Liebesspiel
die schwarze 7 / 8 -Hose mit dem leichten Glanz war zu auffällig – als würde ich mich zu sehr ins Zeug werfen. Ich wühlte in meinem Schrank herum, zog eine ältere Jeans heraus, Boot-Cut, ein Riss, der sich am Knie bildete. Aber sie war weich, eingetragen. Dazu ein weißes Button-down-Hemd. Robuste Klassik und rettender Schick für die von uns, die kein Stilgefühl haben.
Siebzehn nach sechs inzwischen. Ich gehe nach draußen auf die Veranda, gehe wieder rein, aber meine Mutter ist in der Küche, und die Aussicht, den großen Zeiger über das Zifferblatt wandern zu sehen, während sie Zwiebeln hackt, finde ich grauenhaft, deshalb schnappe ich mir grünes Origamipapier und gehe ins Wohnzimmer. Warte dort. Ich beginne, einen hüpfenden Frosch zu falten.
Auf dem Beistelltisch neben der Couch geht es mit der verfluchten Orchidee rasch den Bach runter; darüber an der Wand die Schwarz-Weiß-Fotografie meiner Mutter auf der alten Point Bridge.
Sie war ungefähr siebzehn, 1962 , das Jahr, als El Cid herauskam, glaube ich. Das Bild wurde beiläufig aufgenommen. Ein Schnappschuss. Die Komposition ist nicht stimmig. Es wäre besser, wenn meine Mutter weiter am Rand gestanden hätte. So wie jetzt ist sie zu mittig, was das ganze Gleichgewicht stört.
Als Kind verklärte ich dieses Foto natürlich, nahm an, es sei von meinem Vater gemacht worden – und als ich erfuhr, dass es das Werk eines namenlosen Fremden war, der für den Staat arbeitete, kippte etwas in mir. Es nagte an mir – wer dieser Mann war, welche Rolle er in ihrem Leben gespielt hatte, die es rechtfertigte, dass sein misslungenes Foto in diesem kitschigen Rahmen in unserem Wohnzimmer hing.
Ihr Haar auf diesem Bild ist hell, heller als heute, sehr glatt. Ihre Gesichtszüge haben schon dieses Verbrauchte, dieses Eigentümliche an sich. In ihren Augen. Es ist nicht die Farbe – auf diesem Foto ein gedämpftes Grau –, sondern der Ausdruck. Man kann es sehen. Etwas Fliehendes. Wind auf der Straße.
Plötzlich trifft mich die Erkenntnis – Puzzleteile, Daten fallen zusammen – klicker, klacker – Rädchen drehen sich – dieser Blick in ihren Augen – aus den Fugen –, die Erkenntnis trifft mich: Diese Aufnahme muss genau um die Zeit herum gemacht worden sein, als der Schädel ihres Vaters aus einer Fuhre Kies rollte. Kleines, feines Einschussloch – wessen Werk? (Silas Varicks, Rays Vater?) Darüber denken wir nicht nach. Nein, nein, nein, nicht jetzt.
Letzte Faltung des Papiers. Die Hinterbeine vom Fröschlein nach unten knicken. Hübsch und flach. Fertig. Ich setze es auf den Tisch, drücke das Hinterteil runter. Es rutscht unter meinem Finger hervor, macht einen Hüpfer, schießt hoch. Hopp.
Mein BH juckt. Ich hätte es wissen müssen. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Alles, was aufwendiger ist als Baumwolle, stört mich – synthetische Spitze reibt über die Haut –, was habe ich mir dabei gedacht? Ich gehe nach oben, ziehe die Katastrophe aus, ersetze sie durch etwas Vernünftigeres – in dem Moment bin ich dankbar, dass er zu spät kommt – wieder ein Beispiel für die Logik des Schicksals im Nachhinein – was für ein Tänzchen – das Timing könnte perfekter nicht sein: Ich komme die Treppe herunter und er fährt vor.
Als wir in die Pine Hill Road einbiegen, fragt er, wo ich essen gehen möchte.
»Nicht wo ich arbeite.«
»Da bleibt noch einiges übrig. Sag an.«
Er hat wieder dieses halbe Lächeln drauf, dieses Lächeln, bei dem ich mich allmählich brutal unsicher fühle. Er achtet auf die Straße. Zarter Schimmer in seinem Haar, der mir jetzt erst auffällt, über den Ohren. Grau, wird mir klar. Es ist ein Schock für mich. Meine Kleinstadtikone. Und mir kommt der Gedanke, dass er nervös sein könnte. Nein, das kann nicht sein. Doch dann frage ich mich, wie oft er verabredet war, seit er von seiner Frau getrennt ist, oder ob ich die Erste bin – ein beängstigender Gedanke. Ich versuche mich an die Einzelheiten zu erinnern: Bruchstücke von Unzufriedenheit, dann ein hässlicher Fehltritt ihrerseits, Ray überlässt ihr das Haus wegen der gemeinsamen Tochter, eine noble Geste, die meinen Bruder noch immer ausrasten lässt. Er nennt Rays Ex die »Hohepriesterin des Mösismus«, was er in meiner Gegenwart zu » HPM « abschwächt.
In meiner Kindheit, und das ist die Wahrheit, war ich unglaublich verknallt in Ray, bis über beide Ohren verschossen, und natürlich nahm er kaum wahr, dass mein Schatten auf
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