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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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nehmen, der von dem kleinen Vogel handelte:
    Geh, geh, geh …
    die Menschen ertragen nicht sehr viel Wirklichkeit
    Doch stattdessen entschied ich mich für sieben Zeilen am Ende. Ich konnte nicht beides nehmen. Zu jener Zeit war es mir in meinem Leben aus wirklichen und eingebildeten Gründen wichtig, streng zu sein und das zu rationieren, wonach ich mich sehnte. Aber es war damals, an jenem späten Vormittag am zweiten Schreibtisch der verschwiegenen Schulbibliothek, eine Sammlung von T. S. Eliots Meisterwerken aufgeschlagen vor mir auf dem Tisch, in den jemand mit schwarzer Tinte Josie P. bläst super hineingetrieben hatte, da war es, dass ich die Spitze vom Taschenmesser meines Bruders fest auf die Bindung setzte und erkannte: Die Gedanken von jemand anderem zu transplantieren, könnte durchaus der schnellste Weg sein, sich von seinen eigenen zu befreien.
    Das ist nicht völlig ohne Wert.
    Meine beste Freundin in der Mittelstufe war Elise Daignault. Wir wurden fünfzehn und Elise wurde plötzlich schön – blond wallendes Haar, die zarten Brüste füllten sich. Er zog herauf wie eine Wetterfront – über Nacht –, dieser Schatten in ihrem Lächeln, in ihrem Blick, die Verheißung von Sex, sodass Männer sie auf eine Weise ansahen, wie sie mich nicht betrachteten.
    Nach dem Schulabschluss ging Elise als Stewardess zu American Airlines. Als ich in New York wohnte, traf ich mich manchmal mit ihr auf einen Drink, später dann, als ich nach Westen geflohen war, sahen wir uns im Four Seasons auf der Market Street, wenn sie Aufenthalt in San Francisco hatte. Neuigkeiten aus der Heimat erreichten mich oft über sie.
    Dann lachte Elise. »Du glaubst, du könntest dich irgendwo in einem fernen, schäbigen Winkel des Landes verstecken. Du glaubst, hier lässt es dich in Ruhe.«
    »Das glaube ich nicht unbedingt.«
    »Ich kenne dich, Marne – ich kenne dich seit zwanzig Jahren.« Dann wurde ihr fein geschnittenes Gesicht ernst, angespannt, und ich roch den süßen Makel von Wein in ihrem Atem, als sie sich zu mir vorbeugte. »Ich weiß, warum du gegangen bist«, sagte sie, ihre Stimme ein flüsterndes Rauschen.
    »Weißt du nicht«, gab ich zurück. »Kannst du gar nicht, wenn ich es nicht einmal selbst herauskriege.«
    Doch sie schüttelte den Kopf, längst überzeugt. »Ich weiß es, Marne. Wenn ich nicht geflohen wäre, würde ich jetzt LSD -Trips einwerfen.«
    Dies sind die Gesetze der sonnenbeschienenen Welt: Elise musste recht haben. Und sie war so schön, jede ihrer üppigen, bebenden Kurven so schön, dass sie es verdient hatte, fand ich, nicht nur teilweise recht zu haben, sondern vollständig, oder zumindest in dem Moment das letzte Wort zu haben.
    An jenem Abend ließ ich mir von Elise alles zusammenfassen. Es kann irgendwie tröstlich sein, wenn jemand anders eine Vorstellung davon hat, wer man ist. Außerdem: was hätte ich schon sagen sollen? Irgendeine trockene, verhuschte Bemerkung über Kinderkleidung in einer Schublade, über die innere Abwesenheit meiner Mutter oder, am schlimmsten, über die brutale kleine Person, die ich dadurch geworden war. Mit dreizehn Jahren waren sie mir bewusst, fühlbar – die festgeschraubten Wände der Kiste, in die ich mich zwängte –, eine Kleinstadt, die belastete Vergangenheit meiner Familie, die Geister all der Dinge, die mir vererbt worden waren. Das erkannte ich an einem furchtbaren Tag, als ich in einem Meer aus Gänseblümchen saß und gedankenlos Blütenblätter abriss, eins nach dem anderen: Sie ist verrückt. Sie ist nicht verrückt. Sie ist plemplem. Sie ist nicht plemplem. Als ich fertig war, sah ich auf und blickte auf das zerrupfte Feld: ausgerissene Blätter, geschändete Stängel, keine schlüssige Antwort.
    Die innere Abwesenheit tut natürlich nicht so weh, wenn man wirklich weg ist.
    Geh, geh, geh, kleiner Vogel.
    Geh.

Schwärmen
    MARNE
    10 . Juni 2004 , 18.00 Uhr
    Warte auf ihn und er ist zu spät. Vier Minuten, fünf, acht nach sechs, warte immer noch. Ich kann offenbar nicht still sitzen. Mir kommt der Gedanke, dass er’s vergessen hat oder mich sitzen lässt. Der Gedanke selbst – unbegründet und kindisch – wäre mir nie gekommen, wenn ich in San Francisco verabredet gewesen wäre. Dort war ich eine zertifizierte Erwachsene. Jetzt, da ich zu Hause bin, habe ich mich zurückentwickelt.
    Ich war eine Lachnummer – wie ich mir den Kopf zerbrach, was ich anziehen sollte. Die Stretchhose kam mir zu sexy vor, zu eng am Oberschenkel. Und

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