Das Liebesspiel
betrachte. Er wölbt die Hand um eine der größeren Schwertlilien, hält sie, ohne sie festzuhalten, berührt die Blüte nicht mit der Haut. Obwohl es unmöglich ist, könnte ich schwören, dass ich den Schatten der Farbe auf seiner Handfläche sehe. Als wäre ich näher dran, als ich tatsächlich bin. Als sei die Luft eine Flüssigkeit, durch die Farbe sickern kann. Als ob.
Man spürt es im Körper – dieses Begehren –, einen Sturm im Blut.
»Also gut«, sagt Ray und wendet sich an mich. »Bist du fertig?«
Ich nicke.
»Viel Glück damit, Huckie«, sagt er. »Bis dann, Prinzessin.« Wir gehen zurück zum Pick-up. Er hält mir die Tür auf, dann steigt er auf seiner Seite ein. Wir fahren los.
Ich werfe einen Blick in den Seitenspiegel und sehe Huck neben den zerlegten Metallteilen seines Eigenbaus im Hof stehen, Huck mit seiner Schweißerhaube, der Madagaskar-Jeans und dem GEMISCHTES - DOPPEL -T-Shirt, Huck mit dem Schweißbrenner in der Hand, und seine kleinkarierte dörfliche Beschränktheit wird mit jeder Sekunde winziger. Ich sehe ihm nach, bis die Straße eine Kurve macht und er und Pards Haus aus dem Blickfeld verschwinden.
***
Im Outback versucht Ray mich zu überreden, mir eine frittierte Zwiebel mit ihm zu teilen.
»Nein danke«, sage ich.
»Du hast so was doch noch nie probiert.«
»Sie würde mir nicht schmecken.«
»Woher willst du das wissen, Marne«, sagt er lächelnd, »wenn du es nie versucht hast?«
So ähnlich, wie einen über die Hintertür reingeschoben bekommen. »Manches weiß ich einfach«, sage ich.
Es stimmt, was ich ihm über diesen Laden erzählt habe. Ist mir immer schon aufgefallen. Hier ist nämlich alles so eingerichtet, dass man nicht dazu kommt, aus dem Fenster zu gucken. Man wird derart eingelullt von der Klimaanlage und dem Geplauder – die Begrüßung mit »g’day matie«, die Deko aus Kängurus und Bumerangs –, dass es leichtfällt, die Route 6 draußen zu vergessen – die Shopping Mall und das Brummen des Abendverkehrs; die stinkenden, heißen Auspuffgase; der schwächere Mief von Müll.
Die Kellnerin bringt die Getränke. Sie schlägt ihren Block auf. »Seid ihr so weit?«
Ich glaube, darüber muss ich noch nachdenken.
Ray bestellt ein Steak. Keine Überraschung. Und eine von diesen Blooming Onions.
Ich entscheide mich für einen Queensland Salad mit gegrilltem Hühnchen und doppeltem Monterey Jack Cheese, aber ohne Cheddar. Und ohne gewürfeltes Ei. Die Kellnerin schreibt mit, macht sich ihre Notizen.
Ich sage ihr, dass ich ebenfalls kellnere. Ich hasse Gäste, die wie ich bestellen.
Sie hebt den Blick, leere Augen.
»Die Soße separat«, füge ich hinzu.
»Ist sie sowieso«, murmelt sie und sammelt die Speisekarten wieder ein. »Sonst noch was?«
»Sie ist fertig«, sagt Ray. Die Kellnerin entfernt sich.
»Davon solltest du besser nicht ausgehen«, bemerke ich.
»Du bist gerne schwierig, was?«
»Kostet mich wirklich keine Mühe.«
Er lächelt.
Ich betrachte sein Gesicht. Versuche mich an das erste Mal zu erinnern, als ich ihn sah. Ist schwerer, als ich dachte. Er war das Unterholz meiner Welt, bevor ich hineingeriet. Auf diese Art ist er mir vertraut.
Er erzählt mir, er sei zu spät gekommen, weil er oben bei Cumberland Farms, als er tanken wollte, seine Schwägerin Claire getroffen hätte, Junies Witwe.
»Ich hab ihr gesagt, ich würde dich abholen, und sie meinte, sie wäre letzten Monat bei Polly gewesen und hätte zwei von den kleinen Papiervasen gekauft, die du gebastelt hast, die mit den Veilchen drin.«
»Ich hab Claire schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen«, sage ich. »Seitdem ich zurück bin nicht mehr. Sie hat nicht wieder geheiratet, oder?«
»Nein. Wird sie auch nicht.«
Claire hat in der Unterstufe unterrichtet. Fünfte Klasse Mathe. In dem Jahr, als ich von der Schule ging, schied sie aus, und nach Junies Tod verbrachte sie den Großteil ihrer Zeit in ihrem Schlafzimmer, aß Eclairs und hörte den Polizeifunk ab.
»Junie war der Prinz«, sagt Ray. »Der Held. Der Friedensstifter. Er war der Sohn, von dem meine Mutter nicht den Blick abwenden konnte. Wir schauten alle zu ihm auf, selbst Huck. Wenn mein Vater irgendeinen Mist baute, ging Junie dazwischen, passte auf uns auf. Er war seiner selbst so sicher, er wusste immer genau, um was es ihm ging.«
Das erstaunt mich – nicht was er sagt, sondern sein veränderter Ausdruck, die andere Stimme. Eine traurige, dunklere Art von Ehrlichkeit, fast ein Überdruss,
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