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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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die Erde fiel. Außer ein Mal, das weiß ich noch, im Winter. Ich muss ungefähr elf gewesen sein. Ich war draußen im Hof, brach Eiszapfen von Kiefernzweigen und lutschte daran, da sah ich Ray und Alex den Hang zu unserem Haus heraufjagen. Ray war weit vorn, seine Jacke flatterte im Wind. Er stieß einen Schrei aus, als er am Schuppen anschlug, dann hielt er inne, um wieder zu Atem zu kommen. Seine Haut war blassoliv, die Wangen gerötet, die Lippen ganz, ganz dunkel, sein Blick schoss herum, wanderte plötzlich zu mir und verharrte dort. Ich hatte den Rest eines Eiszapfens im Mund, kann mich an das kalte feuchte Schmelzen erinnern, wie er gegen meine Zähne klickerte, der scharfe Geschmack von Kiefernharz – und Rays Augen auf meinem Gesicht, erfüllt von etwas, für das ich keine Bezeichnung hatte.
    »Fällt dir nichts ein?«, fragt er mich.
    Das ist eher nicht das Problem, denke ich.
    Er fährt geradeaus an der Gabelung vorbei, auf der alten Straße. Wir fahren gen Süden – fort von den meisten Lokalen.
    »Nehmen wir was Unverdächtiges«, sage ich.
    »Soll das heißen: irgendwas außerhalb?«
    »Der einzige Laden im Ort, den ich wirklich gut fand, war Manchester’s.«
    »Das hilft uns jetzt nicht weiter. Außerdem war das Essen da mies.«
    »Schon, aber wer ging da wegen des Essens hin?«
    Ray biegt rechts ab auf die Hixbridge Road, Potato Hill hinunter, dann in die Drift Road. Wir kommen an dem Hof vorbei, der früher einem meiner Urgroßväter gehörte – ein ehemaliger Hof, jetzt stehen da Häuser.
    Man fährt durch die Stadt und jede Straße, die man nimmt, birgt einen abgelegten Rest – den Namen eines Bachs, eine Schlucht, eine alte Mauer, die einer von ihnen baute, oder ein Haus, wo Menschen geboren wurden, lebten, heirateten, starben, über zweihundert Jahre lang Steine von denselben Feldern klaubten. Damit ist man verwoben.
    Wenn man zurückkehrt, kommt man um eine gewisse Nostalgie nicht herum. Man sieht, wie idyllisch es daheim ist – sieht es vielleicht mit den Augen eines Fremden –, diese gelassene Neuengland-Schönheit, bis heute weites, offenes Land, das Dorf von Point, die zedernholzgedeckten Saltbox-Häuser, die beiden gegabelten Arme des Flusses, das ins Land strömende Meer.
    Es ist ein besonderer Flecken Erde – man kommt heim und das Licht hier ist so wie nirgends sonst. Man sagt sich, ich schaffe das. Deshalb bleibt man.
    Hier und da kann ich durch eine Lücke in den Bäumen den Fluss sehen. Die Sonne ist hinter uns, sie geht unter.
    Ich sage Ray, ich würde gerne ins Outback gehen, oben an der Route 6 .
    Er lacht. »Lass mich raten – wegen der Atmosphäre?«
    »Ich mag diese nachgemachten australischen Sachen.«
    »Also gut: das Outback.«
    Wir kommen an dem Bach vorbei, wo Susannah Howe gefunden wurde, schwanger und ertrunken, in einem Gewässer, das eigentlich nicht tief genug zum Ertrinken war. Das ist natürlich die Kehrseite. So als würden sie wittern, dass man zurück ist – die jüngst Verstorbenen –, sie warten ab, lassen dich ein wenig durch deine rosarote Brille sehen, beginnen mit den Beinen zu baumeln. Grobkörnige, liebliche, verzerrte Welt.
    Ray erkundigt sich nach dem Anbau des Restaurants, an dem gerade gearbeitet wird – alle Genehmigungen sind da, erzähle ich ihm, sie haben vor, Mitte Juli zu eröffnen, schlichter Biergartenstil, nach dem Vorbild dieses einfach gehaltenen Hummerrestaurants unten in Connecticut. Rot-weiß karierte Tischdecken. Man zieht eine Nummer und bekommt das Essen auf einem Plastiktablett. Für die Urlauber, die mal einen Abend lang auf rustikal machen wollen.
    Als die Straße wieder geradeaus verläuft, kommt Pard Islingtons Haus in Sicht. Ich kann ihn davor sehen, natürlich nicht Pard, der ist vor zwei Wochen gestorben. Selbst mit der Schweißerhaube auf dem Kopf – das Schweißgerät spuckt Flammen, Funken fliegen – weiß ich, dass es Huck ist. Er steht inmitten einzelner Traktorteile und schweißt eine Art Halterung an ein altes Chassis, überall auf dem Hof klobiger Metallschrott.
    Bitte nicht, denke ich. Noch während der Pick-up langsamer wird, denke ich es mit Nachdruck. Halt bitte nicht an. Nein. Bitte.
    Ray lenkt den Pick-up an die Rasenkante. Lässt den Motor ersterben. Den Schlüssel in der Zündung stecken. Und ich – keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
    Rechts vom Haus ein weiß gestrichener Fahnenmast, zwei Flaggen aufgezogen, von Wind und Wetter verschlissen; das eine die Stars and Stripes,

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