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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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mandelförmigen Augen, die Wangenflächen, der Winkel von Lippen und Kinn. Sie richtete die Kamera auf ihn, wobei sie sich fragte, ob es ihm wohl etwas ausmachte, wenn sie ihn fotografierte, aber er hatte bereits gesehen, was sie tat. Er grinste breit und stellte sich in Positur für sie. Einen Arm um den Mast geschlungen, balancierte er auf einem Bein.
    »Versuchen Sie’s nochmal, wenn er nicht herschaut.« Tobys geflüsterter Ratschlag ließ sie schmunzeln. Zum Teil hatte er Recht. Die selbstvergessene Anmut war schön gewesen, aber auch diese Pose gehörte zur Szene der ständigen Interaktion mit den Touristen, zum Spiel, das beide Seiten spielten: Die Nilanwohner versuchten, den Erwartungen der Besucher gerecht zu werden, während diese dringend benötigte Devisen ins Land brachten und selten übergroße Ansprüche stellten. Im Großen und Ganzen schien diese Beziehung sehr gut zu funktionieren.
    Die Freundlichkeit und der Humor der Ägypter erlaubten ihnen, ein gewisses Gleichgewicht zu wahren. Wenn sie denn so etwas wie Widerwillen spürten oder das Gefühl hatten, ausgebeutet zu werden, so verbargen sie das sehr gut.
    Anna schloss die Augen und ließ den Kopf zurücksinken, sodass die Sonne unter ihre Hutkrempe schien. Plötzlich traf sie die starke Hitze im Gesicht und sie sah das heftige Rot ihrer Lider. Hastig richtete sie sich gerade in dem Moment wieder auf, als der Steuermann das Ruder herumriss und der Bootsmann seinen Platz am Mast verließ, sich ihr gegenübersetzte, um das Segel zu befestigen, das Boot herumschwang und der Schatten des Segels auf ihr Gesicht fiel.
    Die neue Gestalt am Schiffsbug balancierte mit Leichtigkeit in ihren Goldsandalen auf den Planken und blickte mit ausgestreckten Armen und erhobenem Kopf über das Wasser direkt in die Sonne. Sie schrie leise auf vor Schreck und die drei Männer im Boot schauten sie an.
    »Anna?« Toby berührte ihren Arm. »Ist etwas?«
    Sie schluckte. Die Gestalt war verschwunden. Natürlich war sie verschwunden. Es war der Schatten des Bootsmanns gewesen oder ein Luftspiegelung in der heißen Luft über dem Boot.
    Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, ich habe Sonne in die Augen bekommen.«
    »Das ist nicht gut, Missee.« Der Bootsmann drohte ihr mit dem Finger. »Sehr gefährlich.«
    Sie hob die Schultern und nickte, machte ein reuevolles Gesicht und zog die Hutkrempe herunter. Sie sah nicht, wie Toby die Stirn runzelte und an ihr vorbei zum Bug des Bootes starrte, Als sie zurückkehrten, wurden in der Bar die Aperitifs serviert. Wie sich herausstellte, hatte Andy ihr schon einen besorgt. »Extra für Sie!« Er reichte ihn ihr mit einer eleganten Verbeugung. »Um Entschuldigung zu sagen. Ich werde mich nicht mehr einmischen und ich werde kein Tyrann mehr sein.«
    Sein jungenhafter Charme gehörte zu seinem festen Verhaltensrepertoire.
    Anna sah sich über die Schulter nach Toby um, der ein sarkastisches Lächeln verbarg. Er zwinkerte ihr zu und hob dann die Hände in einer Geste der Unterwerfung. » Inschallah «, flüsterte er und legte die Hände zu einem spöttischen Gruß aufeinander. »Sie trinken mit dem Effendi. « Er begab sich zur Bar, wo Ali, wie sie sehen konnte, eine Flasche mit ägyptischem Bier für ihn öffnete.

    Anna wandte sich Andy zu. »Es geht nicht um Verzeihung, Andy. Ich will einfach bloß mit Serena reden können, wann ich will, ohne dass Sie uns unterbrechen. Wo ist sie übrigens?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, ehrlich. Vielleicht ist ihre Feluke noch nicht zurückgekommen, aber wenn sie kommt, besorge ich ihr einen Drink, küsse ihre Füße, streichle ihre Hand, was immer Sie wollen.«
    Anna lächelte. »Einfach nett sein würde schon genügen.«
    »Dann werde ich nett sein.« Er grinste breit. »Ich bin nett. Ich bin immer zu allen Leuten nett.« Er klopfte Ben auf den Rücken, der gerade vorbeikam. »Stimmt’s, Ben?«
    »Du klingst, als wärst du high, mein Freund«, antwortete Ben gutmütig. »Aber wenn das heißt, dass du mich auch zu einem Drink einlädst, sage ich nicht Nein, was immer es ist.«
    Andy lächelte ihn viel sagend an. »Es ist der Sonnenschein, alter Knabe, sonst nichts.« Plötzlich fuhr er herum. »Und hier ist Serena. Und Charley mit ihr.«
    Die beiden Frauen erschienen nebeneinander im Eingang.
    »Andy schmeißt eine Runde, Mädchen. Ich würde etwas Exotisches und Teures bestellen«, rief Ben ausgelassen.
    »Cocktails für die beiden Damen?« Ali hatte das Gespräch aufmerksam

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