Das Lied der alten Steine
Beine unter ihr nachgaben, und rote Lichter flackerten vor ihren Augen.
Als sie zu Boden sank, wurde die Tür aufgestoßen und Toby kam hinter ihr her ins Zimmer gestürzt. »Was ist los? Was ist passiert? Ich habe Ihren Schrei gehört.« Er sah wild um sich, packte ihre Hand und zog sie zu sich herauf. »Anna, was ist?
War jemand hier?«
Hinter ihr war die Kabine leer.
»Ist es Watson?« Er schob sie wieder beiseite, sanfter jetzt, durchschritt die Kabine und öffnete die Tür zur Dusche. Es war niemand darin. Nirgendwo sonst konnte sich jemand versteckt halten.
»Nein, es ist nicht Andy. Es ist Anhotep, der Priester.« Sie zitterte heftig. »Sie haben im Tagebuch über ihn gelesen. Der Priester, der hinter meinem kleinen Parfümfläschchen her ist. Er war hier. Er stand genau da!« Sie zeigte auf die Stelle am Boden, etwa einen halben Meter von ihr entfernt. »Aber das Fläschchen ist nicht mehr da. Andy hat es mitgenommen.«
Sie zitterte so stark, dass ihre Zähne klapperten. Langsam sackte sie auf ihr Bett und sah zu ihm auf.
Es folgte ein langes Schweigen. Sie überlegte, ob er lachen würde; ob er sich über ihre Worte lustig machen würde.
Er schürzte die Lippen. »Andy Watsons Name nimmt, wie’s scheint, einen ziemlich großen Raum in unseren Gesprächen ein, hab’ ich Recht?« Er sah sich noch einmal in dem kleinen Raum um. »Hatten Sie diese Erscheinung schon mal vorher? Haben Sie nicht heute Morgen auch auf dem Boot etwas gesehen? War es das? Der Priester?«
Erleichterung durchströmte sie. Er glaubte ihr! Er hielt sie nicht für wahnsinnig. Sie nickte.
»Sie haben mir gesagt, dass ein Fluch auf dem Fläschchen lastet. Aber Sie haben mir nie gesagt, wie oder warum. Warum haben Sie mir von alledem nichts gesagt, als wir im Tagebuch darüber lassen?«
»Damit Sie mich für verrückt halten? Was glauben Sie, was passieren würde, wenn sich die Geschichte auf dem Schiff herumspricht? ›Passagierin sieht altägyptischen Priester!‹
Entweder würden alle in Panik geraten und nach Hause fahren oder sie würden mich einsperren lassen. Zumindest wäre ich danach die Witzfigur des ganzen Schiffes.« Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Ich bin am Ende meiner Kräfte.«
»Weiß sonst noch jemand davon?«
Sie nickte. »Serena.«
»Und was sagt sie dazu?«
»Sie glaubt mir. Sie kennt sich mit Ägypten recht gut aus, denn sie hat altägyptische Religionen und Riten studiert. Sie weiß, was man tun kann. Sie wollte die Flasche nehmen und sie segnen oder so was, aber dann hat Andy sie sich geschnappt.«
»Wie konnten Sie das zulassen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Er ging einfach damit weg. Ich war wahrscheinlich zu überrascht. Ich hätte ja schlecht mit ihm ringen können. Er sagte, dass er sie sicher für mich aufbewahren wollte.«
Toby setzte sich neben sie. »Ich glaube, dass er eher vorhat, sie zu verscherbeln«, sagte er zynisch.
»Erst mal müsste er sie mir abkaufen.« Anna schüttelte den Kopf und lächelte mit feuchten Augen. »Und da er sie für unecht hält, würde er nicht viel dafür bieten!«
»Außer er verkauft sie als echt.« Toby seufzte. »Und bisher wissen wir immer noch nicht, wo das Tagebuch abgeblieben ist.« Er sah auf seine Uhr. »Es ist fast Mittagessenszeit. Ich denke, es tut uns vielleicht ganz gut, wenn wir in einem voll besetzten Speisesaal eine Mahlzeit zu uns nehmen. Das holt einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Und kein Geist kommt uns dort in die Quere. Wir können uns beruhigen, über die Situation noch mal nachdenken und Watsons Verhalten beobachten. Ihrem Parfümfläschchen und Ihrem Tagebuch wird nichts geschehen. Nicht solange sich damit Geld verdienen lässt.
Meine Vermutung ist, dass er beides hat und sehr gut darauf aufpassen wird.« Er wartete auf ein Zeichen der Zustimmung von ihr. »Und dann haben wir einen Nachmittag frei, bevor wir morgen alle nach Abu Simbel fahren. Also schlage ich vor, dass wir am Nachmittag mit Serena reden. Wenn Ihr Geist echt ist, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dann müssen wir sie zweifellos konsultieren, was sich tun lässt, um Sie vor irgendwelchen paranormalen Einflüssen zu schützen. Vielleicht sollten wir zugleich Kriegsrat halten, wie wir das Tagebuch zurückerobern, und bei dieser Gelegenheit«, er unterbrach sich und lächelte sie schief an, »meinen Namen ein für alle Mal von irgendwelchen Verdächtigungen frei machen können.«
Anna, Toby und Serena hielten ihren Kriegsrat
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