Das Lied der alten Steine
ihr eine Kamera ins Gesicht schwang. Sie hörte nicht einmal auf die Rufe eines Aufpassers, dass das Fotografieren mit Blitzlicht verboten sei.
»Sie wird ihn töten, weil Carstairs sie gerufen hat, um Hassan zu töten! Es ist ihre Aufgabe; sie ist da, um. die Flasche zu beschützen. Wir müssen die Flasche zurückbekommen, bevor die Bestie ihn beißt! Es hat nichts mit den Priestern zu tun. Sie war programmiert, Hassan zu töten und jeden anderen, der sie berührt! Aber nur Männer, keine Frauen. Deshalb konnte auch Charley und mir – und dir – nichts passieren.«
Serena hob eine Augenbraue. »In diesem Fall neige ich dazu, sie nicht daran zu hindern.« Sie schnitt eine Grimasse. »Nein, okay, war nur Spaß. Natürlich musst du es ernst nehmen. Du willst also, dass ich ihn suchen helfe und warne?«
Toby nickte. Er tippte auf seine Uhr. »Es ist das Beste, wenn wir uns verteilen, dann können wir ein größeres Gebiet absuchen. Treffen wir uns doch in einer halben Stunde draußen vorm Haupteingang und hoffen, dass einer von uns ihn bis dahin gefunden hat.«
»Er wird uns nicht glauben«, sagte Serena und wandte sich ab.
»Gott weiß, wie ihr ihn überreden wollt, zuzugeben, dass er das Fläschchen mitgenommen hat. Ganz zu schweigen von der Gefahr, durch eine magische Schlange vergiftet zu werden, wenn er es nicht zurückgibt!« Sie schüttelte noch immer den Kopf, als sie und Anna sich trennten und jeder für sich in der riesigen Tempelhalle die Suche aufnahm. Sie gingen in Richtung der Eingänge, die tiefer ins Dunkel des Tempels führten.
Das Gedränge nahm etwas ab, wenn man von der Säulenhalle in die kleineren Räume dahinter kam. Anna, die sich langsam die rechte Säulenreihe vorgearbeitet hatte, trat in den ersten Raum und musterte verstohlen die wenigen Leute, die dort die Reliefs betrachteten. Im Dunkeln waren sie nur Silhouetten, doch keiner hatte die Größe und Schulterbreite von Andy. Sie ging weiter zum nächsten Durchlass und warf einen Blick in die etwas kleinere Kammer, als eine Stimme gleich neben ihr sie aufschreckte.
»Anna, meine Liebe. Ich dachte mir, dass Sie es sind. Wie sind Sie hierher gekommen?« Ben lächelte sie an. Er hatte seinen Hut noch auf, trug seine alte Leinentasche über der Schulter und seine Augen glänzten. »Ist es nicht ein sagenhafter Ort? Was für ein Triumph der Ingenieurskunst! Wenn man bedenkt, dass alles in Blöcke geschnitten und hertransportiert und wieder aufgebaut wurde wie ein gewaltiges Lego-Modell.« Er stockte. »Stimmt etwas nicht, meine Liebe?«
»Ben, ich muss Andy finden. Ich kann mich auf all das hier nicht konzentrieren, bevor ich ihn nicht gefunden habe. Wissen Sie, wo er ist?«
Ben schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, ich glaube, ich habe ihn seit gestern Abend nicht gesehen. Ich erinnere mich nicht, dass ich ihn beim Frühstück gesehen hätte.« Er schloss seinen Reiseführer, einen Finger zwischen die Seiten geklemmt.
»Wenn ich ihn sehe, soll ich ihm sagen, dass Sie ihn suchen?«
Anna verzog das Gesicht. »Das könnte ihn veranlassen, in ent-gegensetzter Richtung Reißaus zu nehmen. Könnten Sie ihn zum Eingang bringen? Wir wollen uns in einer halben Stunde draußen treffen. Es ist wirklich wichtig. Es geht um Leben und Tod!«
Ben nickte etwas abwesend. Schon öffnete er wieder sein Buch. »Ich werde die Augen offen halten. Ich verspreche es.«
Die nächste kleine Kammer, in die sie lugte, war leer. Einen Augenblick stand sie in der Türöffnung und sah hinein, verblüfft von der plötzlichen seltsamen Stille. Von den Örtlichkeiten, die sie in Ägypten besucht hatte, konnte man sich nur an den wenigsten den eigenen Gedanken überlassen und einfach die Atmosphäre aufnehmen. Und in diesem Tempel waren der Lärm und das Treiben noch schlimmer als sonstwo, was ja auch nicht weiter verwunderlich war. Seit er nach dem Bau des hohen Staudamms wiedererrichtet worden war, wurde er von den Massen belagert. Und doch begann sie, in diesem kleinen Seitenraum zu erschauern. Die Stille war durchdringend.
Vielleicht waren immer noch die alten Götter oder ihre Gefährten hier. Sie merkte, wie ihre Hände feucht wurden, als die Stille der Kammer sie immer dichter umfing und sie für einen Augenblick durchdrang.
Da tauchte plötzlich eine Gruppe von Besuchern hinter ihr auf.
Sie sprachen laut und erregt Französisch, drängten an ihr vorbei in die Kammer und fast im selben Moment leuchtete für den Bruchteil einer Sekunde ein verbotenes
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