Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
Ausrede.
»Keine Bange, ich bin ja bei dir. Ich werde dich vor den Dränglern beschützen.«
Ha, wusste ich es doch! Fehlte nur noch, dass er den Arm um mich legte und anfing mich »Kleines« zu nennen wie in einem schlechten Sechziger-Jahre-Film. Aber glücklicherweise verkniff er sich das – na ja, gegen den Teil mit dem Umarmen hätte ich eigentlich nichts gehabt.
Dann griff Thomas nach meiner Hand, und wir stürzten uns in die Menge Richtung Einlass.
Das Konzert war wirklich toll. Ich hätte es ihm gegenüber niemals zugegeben, aber auf Thomas’ Musikgeschmack war Verlass. Als Musikproduzent hätte er sich bestimmt eine goldene Nase verdienen können.
Nassgeschwitzt vom Herumhüpfen verließen wir inmitten einer tobenden Menschenmasse das Huxleys. In meinen Ohren pfiff es seltsam, aber daran waren wir selbst schuld, weil wir uns zu Anfang neben eine der Verstärkerboxen gestellt hatten und uns die Bässe voll erwischt hatten. Unter Ellbogeneinsatz gelangten wir von den Boxen weg und weiter nach vorn, wo ich mich davon überzeugen konnte, dass die Mädchen in der ersten Reihe wirklich Grund zum Kreischen hatten. In seinen engen Jeans und dem offenen weißen Hemd sah der Sänger extrem sexy aus. Da vergaß ich sogar für einen Moment Thomas neben mir!
Das Tanzen, die wirklich guten Lieder und der Anblick des Sängers vertrieben auch jeden Gedanken an eingebildete oder echte Verfolger, und ich konnte den Abend in vollen Zügen genießen.
»Soll ich dich nach Hause bringen?«
Die Frage hatte ich natürlich erwartet, jetzt, da wir wieder draußen standen.
Thomas schwitzte genau wie ich, duftete aber immer noch himmlisch. Konnte nicht jemand mal so ein Deo für Frauen erfinden? Ich fühlte mich mittlerweile nicht mehr so, als sei ich in der richtigen Verfassung für eine Knuddelorgie.
»Nein danke. Ich bin ein großes Mädchen, ich finde schon allein nach Hause.«
Thomas öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ich gab ihm bereits einen Kuss zum Abschied auf die Wange.
»Vielen Dank für den tollen Abend, du musst mir unbedingt eine CD mit den besten Liedern brennen.«
»Klar, mach ich.« Thomas zögerte kurz. »Pass auf dich auf, Aileen.«
Noch nie zuvor hatte er meinen Namen so sanft ausgesprochen. Ich war kurz davor, meinen Entschluss rückgängig zu machen, doch dann kam ich wieder zur Vernunft. Ich würde nur auf allerhand dumme, romantische Gedanken kommen, wenn wir zusammen durch den Mondschein spazierten. Thomas war ein Kollege und Freund. Basta!
»Du auch. Bis Montag!«
Damit drehte ich mich um und hatte das dumme Gefühl, gerade einen Riesenfehler zu machen.
Aber wer brauchte schon ein Liebesleben?
Dass allerdings nicht mein Liebesleben ein Grund zur Sorge war, hätte ich nicht erwartet.
Zwei Häuserecken weiter bereute ich, allein losgegangen zu sein. Ich hörte Schritte, und ein kurzer Blick über die Schulter bestätigte, dass drei oder vier bullige Kerle hinter mir waren. Ihre Sohlen knirschten über den Gehsteig und jagten mir einen Schauer über den Rücken. Es war zu dunkel, um ihre Gesichter zu erkennen, trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass es die Typen aus der U-Bahn waren.
Ich zog meine Jacke enger zusammen. Bildete ich es mir nur ein, oder wurde es tatsächlich merklich kühler? Es war ohnehin bitterkalt, aber seit ein paar Metern hatte ich das Gefühl, mitten in eine gigantische Kühltruhe gelaufen zu sein.
Es war absurd – als ob ich mitten in einen Horrorfilm geraten wäre. Die dumme Blondine, die am Anfang des Films dran glauben muss. Die Schritte hinter mir klangen jedoch nur allzu real.
Sollte ich einfach losrennen? Dann machte ich mich vielleicht zur Idiotin, denn immerhin bestand die Möglichkeit, dass alles nur ein blöder Zufall war. Aber ich hatte mal in einer Sendung über Selbstverteidigung gesehen, dass man nicht als Opfer auftreten sollte. Außerdem wurden die dummen Blondchen immer gekillt, wenn sie wegrannten, während die wehrhafte Heldin am Ende übrig blieb.
Also drehte ich mich um und stemmte die Hände in die Hüften.
Vielleicht hätte mir vorher jemand sagen sollen, dass das Leben kein Film ist.
Die Schläger hielten für einen überraschten Moment inne, sahen sich an und zuckten dann mit den Schultern, als wollten sie sagen, »wenn sie es denn so will«.
Ich holte gerade Luft, um sie höflich, aber entschieden zu fragen, ob es ein Zufall war, dass wir uns heute schon mehrfach über den Weg gelaufen waren, da stürmten sie
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