Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
blieb aber dicht bei mir stehen.
Thomas! Er kam den Flur hinuntergerannt und keuchte, als wäre eine ganze Harpyien-Armee hinter ihm her. Aber ich konnte hinter ihm nichts entdecken.
Ich stürmte ihm entgegen. »Was ist passiert?«
»Da waren wieder diese Viecher! Ich dachte …« Er stockte, als er die eingefrorenen Harpyien durch die offene Tür bemerkte.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er das Messer von Macius in der Hand hielt. Offenbar hatte er vorgehabt, sich damit todesmutig auf die Harpyien zu stürzen.
Aiko trat zu uns. »Galatea hat sie alle erwischt. Zuvor waren sie von einem Schutzzauber verborgen, aber der war gebannt, als sie uns angriffen. Daher konnten wir genau spüren, wie viele Harpyien hier waren.« Sie warf mir mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu, und ich senkte betreten den Kopf.
»Wer ist das?«, fragte Galatea, die ebenfalls auf den Flur getreten war.
»Thomas Peters«, stellte er sich vor. »Ich dachte, ihr wärt in Gefahr.«
Die Nymphe stieß ein helles Lachen aus. »Ein Mensch, der uns retten will. Wie mutig von dir! Hast du überhaupt eine Ahnung, welchen Kreaturen du dich da entgegenstellst?«
»Natürlich habe ich das!« Thomas straffte die Schultern und begegnete ruhig ihrem Blick. »Sonst wäre ich wohl kaum hier.«
Bevor Galatea darauf etwas erwidern konnte, flog die Tür gegenüber auf, und eine Frauenstimme kreischte etwas, das sich ziemlich unfreundlich anhörte.
»Wir sollten die Tür besser schließen«, bemerkte Galatea daraufhin, und nachdem sie der Frau in sanftem Ton geantwortet hatte, zog sie den Türflügel hinter uns ins Schloss.
»Früher wäre eine Nachbarin wie diese Frau kein Problem für mich gewesen«, bemerkte sie, als sie voran ins Wohnzimmer ging. »Ich hätte einfach einen meiner Charmezauber verwendet, und sie wäre lammfromm geworden. Jetzt muss ich es auf die menschliche Weise versuchen – mit Worten –, was keinen besonders großen Effekt hat.«
Sie seufzte, dann setzte sie Wasser auf. »Nehmt Platz. Ich habe euch einiges zu erzählen. Und ihr mir sicher auch.«
»Mein Volk liegt im Sterben.«
Galatea hatte uns alle um ihren Wohnzimmertisch versammelt, und wir wärmten uns die Hände an einem heißen Tee aus ihrem Samowar. Nun blickten wir die Nymphe betroffen an.
»Schon seit etwa zweihundert Jahren verlieren wir langsam, aber sicher unsere Magie und damit auch unsere Jugend. Je jünger eine Nymphe ist, desto stärker ist sie von diesem Verfall betroffen. Einige von uns sind bereits an Altersschwäche gestorben, und es gibt nichts, was diesen Verfall aufhalten kann.«
»Du siehst aber nicht aus, als seist du altersschwach«, warf ich vorsichtig ein.
»Ich bin fünfhundert Jahre alt, Kindchen, und dreihundert davon war ich im Vollbesitz meiner magischen Kräfte. Nur deshalb habe ich meinem Verfall entgegenwirken können. Wenn die Nymphenmagie nicht erneuert wird, verlieren wir sie nach der Geschlechtsreife. Es macht schon einen Unterschied, ob man seine Magie über mehrere hundert Jahre erneuert hat oder nur über den Grundbestand von dreißig Jahren verfügt.«
Holla, jetzt wurde es interessant. Nymphen wurden erst mit dreißig geschlechtsreif? Ziemliche Spätzünder!
»Wie wird diese Krankheit übertragen? Ich meine, können sich andere Götterkinder anstecken, oder wird es nur gefährlich, wenn ein Nymphenmännlein und ein Nymphenweiblein zusammenkommen?« Hatte ich das gerade wirklich gefragt? Ich hatte offensichtlich nicht nur zu viele Horrorfilme, sondern auch zu viel Kondomwerbung gesehen, wenn ich bei einer Krankheit gleich an Aids dachte. Aber das lag an diesem Kommentar zur Geschlechtsreife.
»Nein, glaubt mir, ihr seid sicher! Und zu deiner anderen Frage: Es gibt keine männlichen Nymphen. Wir paaren uns mit menschlichen Männern, um neue Nymphen zu erschaffen.«
Der Blick, den sie Thomas dabei zuwarf, gefiel mir ganz und gar nicht. He, Finger weg!, hätte ich ihr am liebsten zugerufen, doch ich beherrschte mich. Immerhin wollte Macius, dass wir sie als Verbündete für den Kampf gegen die Nyxianer gewannen.
»Damit unsere Magie erneuert und vermehrt werden kann, benötigen wir die Feuerrote Blume«, erklärte Galatea dann weiter. »Wie du noch lernen wirst, gelten für uns nur einige der Naturgesetze, und die Gesetze der Magie stimmen nicht immer mit ihnen überein. Bei uns ist es Pflicht, ab dem dreißigsten Lebensjahr einmal im Jahr, genau genommen in der Walpurgisnacht , das Elixier der Feuerroten Blume zu
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