Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janika Nowak
Vom Netzwerk:
Lust, mit verheulten Augen bei ihm aufzutauchen. Mit verheulten zweifarbigen Augen. Ich streckte mir im Spiegel die Zunge raus.
    Thomas lachte auf. »Dann komm. Ich habe gesehen, dass wir auch noch Schokoladenkuchen haben. Der muntert dich sicher wieder auf.«

    Kaffee und Kuchen halfen, doch als Macius mich beim Betreten des Gemeinschaftsraums aufmerksam musterte – natürlich fiel es ihm trotz meines gesenkten Blickes sofort auf –, hätte ich am liebsten wieder losgeheult.
    »Dein Auge«, bemerkte er ruhig.
    »Ja, mein Auge!« Okay, das klang hysterisch. Und wütend. Aber das war immer noch besser als hysterisches Heulen. Also schnauzte ich weiter. »Mein verdammtes Auge! Jetzt sehe ich aus wie eine Puppe mit einem Fabrikationsfehler. Warum muss es gerade rosa sein? Und warum nur auf einer Seite!«
    »Die Verfärbung deiner Augen zeigt, dass du weiter gereift bist.«
    Mein Gott, Macius’ unerschütterliche Ruhe konnte einen wirklich zur Weißglut bringen. »Aha, dann bin ich also nur halbseitig gereift!«
    »Erinnerst du dich noch daran, dass ich dir sagte, deine Kräfte hätten unter anderem auch etwas mit den Bereichen deines Gehirns zu tun?«
    Ja, daran erinnerte ich mich dunkel. Schnaufend verschränkte ich die Arme vor der Brust, was Macius offenbar als Antwort betrachtete.
    »Manchmal entwickelt sich eine Hirnhälfte schneller als die andere. Manche Götterkinder verwandeln sich in der ersten Zeit nach ihrer Erweckung nur teilweise. Bei dir verfärbt sich erst einmal nur ein Auge vollständig. Das wird vergehen, glaub mir.«
    Bis dahin laufe ich mit einer Sonnenbrille rum und mache einen auf Heino?
    »Dass sich dein Auge verfärbt hat, zeigt aber auch an, dass deine Kräfte angewachsen sind. Ich glaube, wir können nun mit der nächsten Phase deiner Ausbildung beginnen.«
    Nächste Phase? »Was heißt …«
    Macius ließ mich nicht ausreden. »Komm mit, wir gehen in den Übungsraum. Ich erkläre es dir dort.«
    Auf dem Weg in den Tempelkeller überlegte ich, ob ich mir lieber eine Sonnenbrille oder gefärbte Kontaktlinsen besorgen sollte. Beides hatte Vor- und Nachteile. Weder Macius noch die Abranthus-Ranken störten mich in meinen Überlegungen, und mittlerweile kümmerte ich mich gar nicht mehr um die blöden Pflanzen. Natürlich nahm ich sie noch wahr und dachte auch nicht daran, langsam zu gehen oder gar stehen zu bleiben, dennoch nervten sie mich nicht so sehr wie früher. Ganz im Gegensatz zu meinem Freak-Aussehen. Ob ich mich auch daran gewöhnen würde? Und wie lange dauerte es wohl, bis das andere Auge nachzog? Dann könnte ich wenigstens behaupten, rote Kontaktlinsen zu tragen …
    »Nachdem du das Schweben und das Schreien getrennt voneinander schon einigermaßen beherrschst, kommen wir heute dazu, beides zu kombinieren«, brach Macius das Schweigen, als wir den Tempel betraten.
    »Schweben und Schreien«, wiederholte ich abwesend.
    Macius schnaufte. Kam es mir nur so vor oder war er heute irgendwie ungeduldiger als sonst? Bin ich ihm mit meinem Gejammer über meine Augen auf die Nerven gegangen? Selbst der kleine Anfall oben im Gemeinschaftsraum war die Jammer-light-Version gewesen.
    »Konzentrier dich, Aileen! Nachher hast du genügend Zeit, um über deine Verwandlung nachzusinnen. Jetzt gilt es, dich deinen Fähigkeiten zu widmen.«
    Er hatte gut reden! Seine Augen sahen ja auch wie funkelnde Smaragde aus. Aber er hatte dummerweise auch recht.
    »Okay, was muss ich tun?«
    »Schwebe ein Stück über dem Boden, halte dich dort und benutze deine Stimme. Mit halber Kraft, wenn es geht.«
    Ich nickte und schloss die Augen. Langsam stieg ich nach oben, bis ich etwa einen Meter über dem Boden schwebte. Inzwischen spürte ich kaum noch etwas von der Krake, wenn ich meine Kräfte einsetzte, und auch die Bilder beeinflussten mich nicht mehr so sehr wie am Anfang. Ob sich das heute änderte?
    Noch nie hatte ich Schreien und Schweben kombiniert, und ich machte mir ein wenig Sorgen, dass ich wieder auf dem Hintern landete. Ich war bereit, jede Wette einzugehen, dass eher meine Flugkünste als meine Stimme versagen würden.
    »Und jetzt ruf deine Echos!«
    Das war noch immer das Schwierigste an der Übung, denn es fiel mir schwer, mich vom Bild meiner Mutter zu lösen. Im Gegensatz zum ersten Mal konnte ich inzwischen aber die unterschiedlichen Schichten, die im Grunde nicht mehr als die verschiedenen Generationen meiner Familie waren, auseinanderhalten und tauchte nicht in mehr als drei oder vier

Weitere Kostenlose Bücher