Das Lied der Cheyenne
unseres Volkes geheiratet und sind glücklich mit ihnen.« Er legte eine Hand auf ihre Hand. »Ich will, dass du glücklich wirst.«
»So wird es geschehen«, erwiderte sie, »am vierten Tag. Das hast du gesagt. Hast du die Wahrheit gesprochen?«
»Ich habe nicht gelogen«, wich er aus, »und doch ist mein Herz traurig. Morgenstern ist ein mächtiger Gott. Aber er ist mit Abendstern verheiratet und braucht keine auserwählte Frau.«
»Ich soll bei einem Gott schlafen?«, fragte sie.
»Ja, meine Schwester. Der Priester wird dir dabei helfen. Wenn der Morgenstern zum fünften Mal leuchtet, wirst du dich mit einem unserer mächtigsten Götter vereinigen. Morgenstern braucht eine auserwählte Frau. Abendstern ist zänkisch und verweigert sich ihm. Sie kann ihn nicht befriedigen.«
»Das darfst du nicht zulassen«, sagte sie eindringlich. Allein der Gedanke, sich durch den Priester mit einem Gott der Shar-ha zu vereinigen, bereitete ihr Übelkeit. War das der Preis, den sie für die Rückgabe der heiligen Pfeile zahlen musste? Oder hatten die Geister sie belogen? Würde sie niemals zu ihrem Volk zurückkehren? Waren die tsis tsis tas dem Untergang geweiht? »Du musst es verhindern, Singende Krähe!«
»Der Priester würde mich töten«, sagte der Häuptling. »Es ist uns nicht erlaubt, an der göttlichen Macht des Priesters zu zweifeln. Wer seine Entscheidungen in Frage stellt, wird mit dem Tod bestraft. Es gibt keinen anderen Weg, meine Schwester.«
»Es muss einen Weg geben!«
Singende Krähe schüttelte den Kopf. »Viele Krieger meines Volkes zweifeln an der Macht des Priesters. Sie wollen nicht, dass Morgenstern eine andere Frau nimmt. Aber sie sind machtlos. Es gibt keine Möglichkeit, sich gegen den Priester und die Götter aufzulehnen. So wurde es beschlossen.«
»Denke nach!«, drängte Büffelfrau den Häuptling. »Es gibt immer einen Weg, wenn man etwas unbedingt will. Ich weiß, dass mein Herz für dich schlägt. Auch ich fühle für dich. Es muss eine Möglichkeit geben, die Vereinigung zu verhindern.«
Büffelfrau hatte nicht gelogen. Sie empfand etwas für den Häuptling der Shar-ha. Es war keine Liebe. Eher Mitleid, weil sich ein Mann mit so starken Gefühlen den ehernen Gesetzen eines allmächtigen Priesters unterordnen musste. Auch die tsis tsis tas gehorchten den Göttern. Sie waren Maheo ergeben, dem Schöpfer aller Dinge, und sie ehrten die geheimnisvollen Kräfte der vier Richtungen und fürchteten die bösen Erdgeister. Alles hatte seine Bedeutung, und es gab strenge Tabus, die beachtet werden mussten, wenn sie leben wollten. Als heilige Frau wusste sie am besten, wie mächtig die Geister waren. Aber ihr Volk hatte keine allmächtigen Priester, die selbst wie Götter regierten und ihr Volk unterdrückten. Auch die Schamanen waren Menschen. Sie vermittelten zwischen dem Volk und den Geistern und zwangen den Menschen keine Befehle auf.
»Ich werde darüber nachdenken«, sagt der Häuptling und stand auf. »Sei bereit, wenn der Priester dich ruft.« Er verschwand und ließ Büffelfrau am Feuer allein. Sie blickte in die Flammen und hatte plötzlich das Gefühl, nie mehr ihre Heimat zu sehen. Tränen rannen über ihr Gesicht. Der Gedanke, nie mehr die geliebte Heimat zu sehen, war unerträglich. Ihre Eltern, Otterfrau und die Krieger, die mit ihr gegen die Shar-ha gezogen waren. Weißes Pferd, die kämpferische Mann-Frau. Läuft-rückwärts, der Mann mit der roten Lanze. Gelber Wolf, der tapfere Hundesoldat. Roter Mond, der Mann ihrer Freundin. Aiee, sie vermisste die vertrauten Gesichter. Nicht einmal in ihren Träumen erschienen sie mehr. War ihr Volk schon gestorben?
Singende Krähe kehrte in die Hütte zurück. Er hatte sein Gesicht bemalt und trug ein besonderes Amulett um den Hals. Mit der Farbe wirkte sein Gesicht ernster und härter. Er verbeugte sich und sagte: »Es ist so weit, meine Schwester.«
Sie folgte ihm nach draußen und blieb vor der Hütte stehen. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das helle Licht. Die Morgensonne stand bereits über den Maisfeldern und warf helles Licht zwischen die Erdhütten. Es war ein friedlicher Morgen, und sie fragte sich in diesem Augenblick, warum ihr Volk und die Shar-ha nicht in Frieden zusammenleben konnten. Das Land war groß genug. Auf der Prärie gab es keine Grenzen, und es gab genug Platz für alle. Sogar für den weißen Mann. Die Büffel kamen zweimal im Jahr, und es würde niemals genug Pfeile geben, um sie alle zu töten. Warum
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