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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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getrunken, damit er durch seine drückende Blase geweckt wurde, bevor der Priester kam.
    Der Häuptling der Shar-ha träumte. Er beobachtete, wie der heilige Pfeil des Priesters sich in die Brust der jungen Büffelfrau bohrte, und weinte bittere Tränen. Er erlebte, wie er die junge Frau aus der Umklammerung des Priesters befreite und in seine Hütte trug. Ein Wechselbad der Gefühle, das ihm den Schweiß auf die Stirn trieb und ihn immer wieder aus dem Schlaf holte.
    Auch Büffelfrau träumte. Als sie nach den vielen Gebeten vor Erschöpfung auf ihr Fell sank, sah sie seltsame Bilder, die sie an die Worte ihres Schutzgeistes erinnerten. Der Morgenstern mit dem roten Schatten leuchtete unheilvoll an einem dunklen Himmel. Lodernde Flammen schossen aus einem Wald und züngelten an den Bäumen hervor. Sie sah das mit weißer Farbe bemalte Gesicht des Priesters, das im Halbdunkel gespenstisch leuchtete und sich verzerrte, als sie auf das Gerüst stieg. Der Kriegsruf ihres eigenen Volkes erklang, und sie beobachtete, wie der Priester getroffen zu Boden sank und der Adler sie aus dem Dorf und in die Freiheit führte. In ihren Armen lagen die heiligen Pfeile unversehrt.
    Singende Krähe weckte sie, bevor das erste Grau durch den Rauchabzug fiel und den Tag der Entscheidung ankündigte. Sie schreckte aus ihrem Traum und starrte ihn lange an, bevor sie erkannte, dass sie in die Wirklichkeit zurückgekehrt war. Der Häuptling blickte sie ernst an und legte die rechte Hand auf seine Brust, bevor er die ersten Zeichen gab. »Dies ist der Tag, an dem sich alles entscheiden wird«, sagte er. »Noch bevor die Sonne aufgeht, werden der Priester und seine Helfer kommen.«
    »Ich werde sterben«, erwiderte sie, »ich weiß es.«
    Singende Krähe schüttelte den Kopf. »Dazu wird es nicht kommen. Ich habe lange nachgedacht, und ich habe geträumt. Ich werde die Vereinigung mit dem Morgenstern verhindern.«
    »Was willst du tun?«
    Er berührte wieder seine Brust und deutete mit der rechten Hand auf sie. »Höre meine Worte, Büffelfrau«, sagte er, »es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Höre mir zu und handle, wenn es so weit ist. Es wird ein großes Feuer geben. Du wirst erleben, wie der Priester stirbt, und du wirst den Kriegsruf deines Volkes hören.« Sie glaubte, ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht zu erkennen. »Deine Fesseln werden abfallen. Lauf vor dem Morgenstern davon! Nimm die heiligen Pfeile deines Volkes und kehre in deine Heimat zurück. Deine Ponys stehen hinter der Medizinhütte des Priesters bereit. Reite, Büffelfrau!«
    Sie blickte ihn erstaunt an. »Ich verstehe dich nicht. Singende Krähe. Ich denke, du liebst mich. Warum willst du, dass ich zu meinem Volk zurückkehre? Du hast doch selbst gesagt, dass es Frauen meines Volkes in diesem Dorf gibt. Warum tust du das?«
    »Du liebst mich nicht«, erkannte er nüchtern. »Ich tadle dich nicht dafür. Die Götter gehen seltsame Wege und wollen nicht, dass wir zusammenleben. Aber ich kann nicht anders handeln. Meine Gefühle für dich sind stärker als der Wille des Priesters, und ich könnte niemals weiterleben, wenn du zu Morgenstern gehst. Ich will, dass du lebst, Büffelfrau, und ich bin bereit, dafür mein Leben zu geben. Hüte dich vor den starken Augen des Priesters und reite zu deinem Volk zurück. So habe ich entschieden.«
    Büffelfrau empfand großen Respekt für den Häuptling. Er hatte recht, sie liebte ihn nicht, aber sie fühlte sich zu ihm hingezogen und empfand wie eine Schwester für ihn. »Ich ehre dich«, sagte sie noch einmal, »und ich respektiere deine Gefühle. Zwischen uns soll es keine Feindschaft geben, und auch ich würde mein Leben opfern, um deines zu retten. Ich will deine Schwester sein, Singende Krähe, und wenn ich diesen Tag überlebe, will ich an jedem Feuer von deiner Tapferkeit singen.«
    Zwei Frauen erschienen und brachten das schwarze Kleid mit dem roten Stern, das sie bei der Vereinigung tragen sollte. Singende Krähe nickte den Frauen zu und verschwand. Sie ließ sich das Kleid willenlos überstreifen und trank von dem frischen Wasser, das sie ihr mitgebracht hatten. Scheinbar willenlos folgte sie den Frauen nach draußen. Ihre Gestalt straffte sich, als sie dem Priester gegenübertrat. Der Traum und die Worte des Häuptlings hatten sie stark gemacht, und sie war bereit, den Kampf gegen die Shar-ha aufzunehmen.
    Der xinesi war feierlich gekleidet. Sein schwarzer Umhang war aus feinstem Leder gefertigt und trug das rote Kreuz

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