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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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schon damals gewusst hatte, dass sie den Weg eines Kriegers gehen würde. »Es hat viele tapfere Frauen in unserem Volk gegeben«, fuhr er fort, »es gab die legendäre Sonnenfrau, die allein gegen die Ho-he ritt, und man erzählt von Bärenfrau und der Mutter meiner Mutter, die drei Shar-ha erschlugen, als sie beim Beerenpflücken von ihnen überrascht wurden. Aber gab es jemals eine junge Frau wie meine Tochter, die einen Büffel mit der Kraft ihres Geistes aufhielt? Die wie ein Mann auf die Büffeljagd ging und einem Krieger das Leben rettete? Die bei einem alten und ehrwürdigen Schamanen wie Sieht-hinter-die-Berge in die Lehre ging? Ich frage euch, meine Brüder, gab es jemals eine solche Frau?«
    Alle Blicke richteten sich auf Büffelfrau. Sie erhob sich mit gesenktem Kopf und spürte vor allem den Blick des alten Schamanen. Sie fühlte sich Sieht-hinter-die-Berge in diesem Augenblick geistig verbunden und war ihm dankbar für alles, was er für sie getan hatte. »Ha-ho«, sagte sie leise.
    »Sprich, Büffelfrau!«, sagte Kleiner Wolf in die angespannte Stille. Ein Raunen ging durch die versammelten Krieger. Es kam selten vor, dass einem so jungen Menschen das Wort am großen Feuer erteilt wurde. Einem Mädchen, das gerade erst zur Frau geworden war. »Sprich zu deinem Volk, Büffelfrau!«
    Die Worte schienen aus weiter Ferne zu kommen. Erst als Büffelfrau von ihren Freundinnen gestoßen wurde, bahnte sie sich einen Weg durch die versammelten Krieger. Sie blieb im Feuerschein stehen und verneigte sich vor den Häuptlingen und Schamanen. Die Worte kamen von selbst, als sie die Hände zum Himmel reckte und mit beschwörender Stimme rief: »Großer Geist im Himmel, der alles Leben erschaffen hat. Geister der Erde und der vier Himmelsrichtungen, hört mich an! Ich bete für mein Volk. Für die Männer, die Frauen und die Kinder, vor allem die Kinder. Seid bei uns, wenn wir uns in der Medizinhütte zum Sonnentanz versammeln! Seid bei uns, wenn wir in eine neue Zukunft ziehen! Es wird Veränderungen geben, ich spüre es. Beschützt uns, wenn wir gegen unsere Feinde reiten! Erneuert die Kraft der Pfeile, die unser Leben bedeuten! Und beschützt den weisen Sieht-hinter-die-Berge, wenn er auf die andere Seite reitet! Aiee, ich habe gesprochen.«
    Sie kehrte auf ihren Platz zurück und versank in Schweigen. Bedeutungsvolle Stille breitete sich aus. Die Häuptlinge rauchten gedankenversunken. Einige Krieger blickten andächtig ins Feuer. Wolfsgesicht überlegte, mit welchen Worten er die Zuhörer jetzt noch beeindrucken konnte. Büffelhöcker lächelte und fühlte, wie der Stolz auf seine Tochter ihn übermannte.
    »Ha-ho«, sagte Sieht-hinter-die-Berge mit brüchiger Stimme. Er war der Einzige, der die volle Bedeutung der Worte verstanden hatte. Sie hatte von Veränderungen gesprochen. Sie war in einem Traum zum Feuer gekommen und hatte in die Zukunft gesehen. Ja, sie war eine würdige Nachfolgerin.

14
Sonnentanz
    Die Feierlichkeiten begannen am nächsten Tag. Büffelhöcker hatte am Feuer erfahren, dass er den Sonnentanz leiten sollte, und versprach, ein würdiger Nachfolger von Aufrechte Hörner zu sein. Der legendäre Krieger hatte den Sonnentanz vor vielen Wintern zu den tsis tsis tas gebracht. Während einer großen Hungersnot war er in die heiligen Berge gezogen und hatte zum Großen Geist gebetet. Maheo sprach zu ihm: »Erneuert die Kraft der Erde und des Geistes, erneuert die Kraft von Wasser und Wind, betet zu den Geistern, die euch den Büffel bringen.«
    Seitdem tanzten sie in jedem Hochsommer den Sonnentanz. Nach einem strengen Ritual, das alle Teilnehmer kannten, wurden die Sonne und die Kräfte der Erde mit Opfergaben und hingebungsvollen Tänzen versöhnt. Am achten Tag unterzogen sich vor allem junge Krieger einer schmerzvollen Mutprobe, die das Mitleid der Geister herausfordern und ihre Tapferkeit unter Beweis stellen sollte. Roter Mond und Kleiner Falke gehörten zu den tapferen Männern, aber auch Weißer Biber, der allen zeigen wollte, dass er kein Versager war. Wenn er die Probe bestand, würde er mit seinen Stammesbrüdern auf den Kriegspfad gehen und auch dort seinen Mut beweisen.
    Büffelfrau beobachtete ihren Verehrer, als sie mit Sieht-hinter-die-Berge zum Einsamen Tipi ging, das Büffelhöcker und seine Frau außerhalb des Lagers aufgebaut hatten. Es verkörperte den einsamen Berg, auf dem Aufrechte Hörner mit dem Großen Geist gesprochen hatte. In dem Zelt würden Büffelhöcker und seine

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