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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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besonderen Eindruck auf sie. Eine seltsame Ruhe ging von ihnen aus, als hätten geheimnisvolle Kräfte von der Erde und allen lebendigen Dingen Besitz ergriffen.
    Büffelfrau folgte dem Hügelkamm und ritt in eines der grünen Täler hinab. Dort gab es Bäume und Blumen, und das grüne Gras bildete einen deutlichen Kontrast zu den grauen Felsen, die wie drohende Wächter aus der Erde stiegen. Ein Bussard kreiste über ihr und krächzte laut. Er führte sie zu dem heiligen Ort, an dem sie ihre Vision empfangen würde, das wusste sie, seitdem sie den einsamen Raubvogel am Himmel entdeckt hatte. »Ich sehe dich, Bussard«, rief sie, »führe mich an den Ort!«
    Der Bussard krächzte wieder und segelte lautlos über das Tal hinweg. Er verschwand in einer Felshöhle, die weit oben in dem grauen Stein klaffte, und sie wartete ungeduldig darauf, dass er wieder im Freien erschien und weiterflog. »Bussard, wo bist du?«, rief sie ängstlich. »Komm und führe mich!« Aber der Raubvogel blieb verschwunden, und alles blieb still. »Du meinst, ich soll in die Höhle gehen? Wie komme ich dort hinauf, Bussard?«
    Die Antwort blieb aus, und sie blickte verständnislos zu der Felshöhle hinauf. Sie lag im Schatten eines steinernen Gipfels verborgen, und niemand sagte ihr, wie man den Eingang erreichen konnte.
    Sie ritt weiter und nahm ihren Bogen vom Rücken. Die Gegend kam ihr nicht geheuer vor, und sie hatte Angst. Mit den Oberschenkeln lenkte sie Sturmwind durch einen Bach und über eine Wiese mit bunten Blumen. Sogar die Grillen hielten den Atem an, als sie einen alten Pfad entdeckte, der in zahlreichen Windungen zu der Höhle führte.
    Sturmwind zögerte, den staubigen Pfad zu betreten. Er war sehr schmal und führte über brüchigen Fels, der seit vielen Monden nicht mehr betreten worden war. Schwüler Wind verfing sich zwischen den Felswänden und sang ein geheimnisvolles Lied. Die Sonne wurde von einem Gipfel verdeckt. Büffelfrau blieb im Sattel und vertraute den Geistern, die sie in der Höhle sehen wollten, sonst hätten sie den Bussard nicht geschickt. Der Aufstieg dauerte mehrere Stunden. Der Abgrund öffnete sich dicht neben den Hufen ihres Ponys, und ein falscher Tritt bedeutete ihren sicheren Tod. Die Steine, die sich unter den Hufen des Tiere lösten, verloren sich in der ewigen Dunkelheit.
    Endlich erreichte sie die Höhle. Der Eingang war größer, als sie gedacht hatte, und sie musste sich nicht einmal bücken, obwohl sie im Sattel sitzen blieb. Es war kühl in der Höhle. Die Wände waren feucht, und sie hörte den hohlen Klang von plätscherndem Wasser. Eine Maus huschte vor den Hufen ihres Ponys über den Boden und verschwand in einer Felsspalte.
    Sie ritt langsam weiter. Der Bussard war nicht zu sehen, und sie fragte sich bereits, ob die bösen Geister den Raubvogel geschickt und sie in eine Falle gelockt hatten. Das Flattern unsichtbarer Flügel belehrte sie eines Besseren. Sie folgte dem Geräusch und spürte einen leichten Windhauch im Gesicht. Irgendwo musste ein zweiter Ausgang sein. Sie sah den Schatten des Bussards und folgte ihm durch die weit verzweigten Gänge der Höhle. Die Hufschläge ihres Ponys wurden als hohles Echo von den Wänden zurückgeworfen. Sie sah Licht, stieg aus dem Sattel und führte das Pony an den Zügeln. Sturmwind schnaubte freudig, als er spürte, dass sie gleich wieder im Freien waren.
    Vor der Höhle öffnete sich ein lang gestrecktes Tal mit grünen Bäumen und bunten Blumen. Hohe Felswände schirmten es nach allen Seiten ab. Am Ufer eines schäumenden Baches standen einige Rehe und grasten zufrieden. »Dies ist der Platz«, sagte Büffelfrau, als sie auf dem Kamm eines Hügels stand, »dies ist der Platz, an dem ich fasten werde.«
    Sie band ihr Pony an einen Strauch und breitete ein Büffelfell auf dem Boden aus. Sie breitete die Arme aus und betete. »Großer Geist«, rief sie, »du hast mich in dieses Tal geführt, damit ich meinem Schutzgeist begegne. Ich werde fasten und beten, bis es so weit ist. Beschütze den alten Sieht-hinter-die-Berge, solange er noch in dieser Welt wohnt, und beschütze die Männer, Frauen und Kinder des wahren Volkes. Ei-e-ya, ich bin gekommen und werde fasten, bis ich meine Bestimmung finde. Beschütze mich auf meinem Weg in die Traumwelt.«
    Die erste Nacht und der erste Tag vergingen, und nichts geschah. Sie spürte ihren leeren Magen, und sie sehnte sich nach dem frischen Wasser, das mit dem Bach durch das Tal floss, aber sie blieb stark

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