Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
Seite seines Ponys fallen ließ und den Kriegsruf der Hügelleute ausstieß. Er war ein feuriger Krieger. Sie ritt neben dem alten Packpferd, das die Schleppbahre mit dem schwachen Sieht-hinter-die-Berge zog. Der Schamane schlief die meiste Zeit. Er hielt seinen Wanderstock in der linken und sein heiliges Bündel in der rechten Hand. Sein Gesicht war eingefallen, und die Haut spannte sich wie Pergament über seinen Knochen.
    Als sie an einer Quelle rasteten, holte Büffelfrau ihm etwas zu essen und frisches Wasser. Er trank die heiße Suppe und nickte dankbar, als die junge Frau ihm den Behälter mit dem kühlen Wasser an die Lippen setzte. Sein Körper war bereits gestorben, aber seine Augen lebten immer noch, und seine Stimme war zu einem heiseren Flüstern verkümmert. »Dein Schutzgeist wartet auf dich«, kam es leise über seine Lippen, »du musst gehen.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie, »sobald wir den Platz erreicht haben, an dem wir unser Sommerlager aufschlagen, werde ich gehen. Willst du immer noch auf mich warten, Onkel?«
    »Ja«, antwortete er leise.
    Zwei weitere Tage vergingen, bis die heiligen Berge in der flimmernden Hitze auftauchten, und einen Tag brauchten sie, um das fruchtbare Tal zu erreichen, das sich an einem Seitenarm des Gänseflusses erstreckte. Büffelfrau half ihrer Mutter und Windfrau, das Tipi aufzustellen, dann suchte sie ihren Vater und sagte: »Ich gehe in die heiligen Berge, Vater. Ich werde fasten und meinen Schutzgeist treffen. So ist es vorbestimmt.«
    »Ja«, erwiderte Büffelhöcker. Er wusste schon seit einigen Tagen, dass seine Tochter bereit war, ihre Vision zu erleben. Sie hatte die Büffel gejagt, und sie würde wie ein Mann in die Berge ziehen und die Nähe der Geister suchen. »Ich bin stolz auf dich, meine Tochter, und ich werde für dich beten.«
    »Ich danke dir, Vater.«
    Auch von ihrer Mutter und Windfrau verabschiedete sie sich. Sie packte etwas Trockenfleisch und einen Behälter mit Wasser in ihre Ledertasche, damit sie nach dem Fasten etwas hatte, und führte Sturmwind zum Tipi des Schamanen. Sie betrat das Zelt und blieb rechts vom Eingang stehen, bis der alte Mann sie mit einem Nicken zum Nähertreten aufforderte. Rehfrau hatte ihn auf ein Büffelfell gelegt und saß neben ihm. Sie würde ihn pflegen, bis Büffelfrau zurückgekehrt war. Als sie die junge Frau neben dem Eingang stehen sah, verließ sie das Tipi.
    »Ich bin bereit«, sagte sie laut, damit er sie hören konnte. »Wirst du noch da sein, wenn ich zurückkomme?«
    »Ja, meine Tochter«, flüsterte er.
    »Das ist gut«, sagte sie dankbar. Sie blieb einen Augenblick lang stehen und erwies ihrem Lehrmeister stumm die Ehre, dann verließ sie das Tipi und sprang auf Sturmwind. Mit Tränen in den Augen ritt sie in den lehmgelben Fluss. Sie trieb ihr Pony durch das träge Wasser und sprengte auf die offene Prärie hinaus. Die neugierigen Blicke der Hügelleute folgten ihr, bis sie im Hitzedunst verschwunden war. Es geschah zum ersten Mal seit vielen Jahren, dass eine Frau in die Berge ritt, um zu fasten und ihre Vision zu bekommen, und alle waren stolz auf sie. Vor allem Weißer Biber, der auf einen Felsen geklettert war und auf seiner Flöte spielte, als Büffelfrau aus dem Dorf ritt.
    Es war ein heißer Tag, und sie trug nur ihr weißes Lederkleid, das Keuschheitsband und die Mokassins. Ihre Haare hatte sie zu Zöpfen geflochten, und um den Hals trug sie eine Kette aus Muscheln, die ein fremder Geschichtenerzähler aus dem Westen mitgebracht hatte. Ihr Gesicht hatte sie mit Farbe bemalt. Sie trug ihren Bogen und den Köcher mit den Pfeilen auf dem Rücken und hatte das Messer griffbereit im Gürtel stecken. Man wusste nie, wem man in den Bergen begegnete. Es gab Shar-ha, die keine Angst vor den Heiligen Bergen hatten und sich dort versteckten. Vor einigen Jahren waren zwei junge Mädchen von ihnen geraubt worden, als sie sich in den Bergen verirrt hatten.
    Die Sonne stand hoch am Himmel, als sie die Ausläufer der heiligen Berge erreichte. Sie ritt durch ein ausgetrocknetes Bachbett und trieb ihr Pony einen mit Geröll übersäten Hang hinauf. Auf dem Hügelkamm verharrte sie minutenlang, und ihr Blick wanderte über die felsigen Gipfel und die grünen Täler, die still und erhaben unter der Sonne lagen. Sie hatte die heiligen Berge schon oft gesehen und war mit Sieht-hinter-die-Berge dort gewesen, als er die Pfeife geraucht und zu den Geistern gebetet hatte, aber diesmal machten sie einen ganz

Weitere Kostenlose Bücher