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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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und fastete. Es war enttäuschend, keine Veränderung zu spüren und auch den zweiten Morgen ohne einen Traum und ohne eine besondere Erfahrung zu erleben. Das Tal veränderte sich nicht, und lediglich die Rehe waren vom Fluss in ein nahes Wäldchen gezogen. Die Bäume waren immer noch grün, und die Blumen waren immer noch bunt. Die Sonne schien unvermindert heiß vom Himmel und trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, aber ihr Geist war wach und sperrte sich gegen die Träume und Bilder aus der anderen Welt. Erst als die Sonne hinter den Felsen verschwand und die Dämmerung das Tal grau färbte, ging eine Veränderung in ihr vor. Sie sah plötzlich alles deutlicher vor ihren Augen, die Bäume, die Blumen und die kleinen Käfer, die zwischen den Grashalmen nach Nahrung suchten. Sie hörte sogar, wie die Insekten mit ihren dünnen Beinen über die Erde krabbelten. Ihre Sinne waren schärfer als zuvor, und sie schloss die Augen und betete zum Großen Geist, ihr endlich eine Vision und den Schutzgeist zu schicken.
    Das geschah erst in der vierten Nacht. Die Erschöpfung war so stark, dass sie schon am frühen Abend in einen tiefen Schlaf versank und verwirrende Bilder sah. Später konnte sie sich an kein einziges dieser Bilder erinnern. Die Farben wechselten, und sie stürzte in einen dunklen Abgrund und versank in einem tiefen Fluss. Der Sog zerrte sie in die Tiefe. Dann erfasste eine starke Strömung ihren Körper und schleuderte ihn auf eine feuchte Uferwiese. Dichter Nebel wogte über dem hüfthohen Gras. Sie erwachte und sah sich einem Büffel gegenüber.
    »Ich grüße dich, mein Bruder«, sagte sie.
    »Ich grüße dich«, erwiderte der Büffel. Er war mächtiger und stärker als alle Büffel, die sie bisher gesehen hatte, und seine Stimme hatte einen dunklen, beinahe rauen Klang. Seine Augen leuchteten geheimnisvoll. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, welchen Weg du gehen musst.«
    »Ich danke dir, mein Schutzgeist.«
    »Ich bin nicht dein Schutzgeist«, antwortete der Büffel ruhig, »ich bin der Schutzgeist von Sieht-hinter-die-Berge, der morgen in die andere Welt gehen wird. Du bist eine besondere Frau, und die Geister haben mich geschickt, dir etwas auszurichten.«
    »Ich höre, mein Bruder.«
    »Dein Schutzgeist wartet im Norden auf dich, dort, wo der frostige Mann die Kälte herbeizaubert. Zwischen den Gipfeln, die den Himmel berühren.«
    »Wie sieht er aus?«
    »So wie ich, aber er hat ein weißes Fell, und seine Stimme ist heller als meine. Geh und suche ihn, Schwester. Er wartet im Land der weißen Berge auf dich. Berühre sein weißes Fell und stelle ihm die Fragen. Er wird sie alle beantworten.«
    »Ich habe von einem Feuer und dunklen Gestalten geträumt«, sagte sie, »ich habe Blut an meinen Händen gespürt und gesehen, wie jemand die heiligen Pfeile rauben wollte. Viele Gefahren bedrohen mein Volk. Wie kann ich es retten, Bruder?«
    »Frage deinen Schutzgeist.«
    »Aber die schneebedeckten Berge sind weit, und ich werde zwei oder drei Monde unterwegs sein. Wer soll die Hügelleute beschützen, wenn ich nach Norden reite?«
    »Deinem Volk wird nichts geschehen«, sagte der Büffel, »ich werde es beschützen. Es wird keinen Krieg geben, und niemand wird sterben, solange du weg bist. Vertrau mir, meine Tochter.«
    Büffelfrau dachte an ihren Verehrer, der ungeduldig auf sie wartete und auf ihre Liebe hoffte. »Was ist mit Weißer Biber? Darf ich ihn lieben? Darf ich ihn heiraten?«
    »Du bist ungeduldig«, antwortet der Büffel, »das ist nicht gut. Frage deinen Schutzgeist, er wird es wissen. Verabschiede dich von Sieht-hinter-die-Berge und reite zu ihm.«
    »Das werde ich tun, mein Bruder.«
    Der Büffel versank im Morast, und sie erwachte. Ihre Augen flackerten, als sie in die Morgensonne blickte, und sie brauchte einige Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Das ist seltsam, dachte sie, mir ist der Schutzgeist meines Lehrmeisters erschienen. Weil ich eine Frau bin? Weil der Große Geist eine besondere Aufgabe für mich bereithält? Sie stöhnte leise. Der Traum war unbefriedigend gewesen, weil sie keine Antworten bekommen hatte. Sie musste weit nach Norden reiten und fernab der Heimat nach ihrem Schutzgeist suchen. Warum machte der Große Geist es ihr so schwer?
    Sie trank frisches Wasser und aß ein wenig von dem Proviant. Es war nicht gut, die Nahrung nach einer Fastenzeit gierig in sich hineinzuschlingen. Es war auch nicht gut, sofort in den Sattel zu steigen. Sie wartete, bis die Sonne über den

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