Das Lied der Cheyenne
sie, »seid bei mir, wenn ich den Fluss überquere und ins Land der Ho-he reite.«
18
Ve-ho
Büffelfrau ritt ins Feindesland. Schmutziges Wasser spritzte unter den Hufen ihres Ponys, als sie den Sandigen Fluss an einer Furt durchquerte. Die Luft war frisch und kühl. Dichte Wolken hingen am Himmel und warfen Schatten auf das bergige Land. Viele Tagesritte vor ihr ragten die schneebedeckten Gipfel in den Dunst. Der Donnervogel flatterte über den schroffen Felsen und kämpfte gegen die Sonne, deren Licht in den Wolken zerfloss und lange Schatten auf den Boden warf.
Sie ritt über eine weite Ebene. Der harte und trockene Boden war mit Büffelgras und Salbei bewachsen. Ein lichter Laubwald versperrte die Sicht nach Osten, im Westen verlor sich die Prärie in einem Labyrinth aus Schluchten und Tälern. Es war ein unübersichtliches Land, wie geschaffen für einen Hinterhalt, deshalb zügelte sie auf jeder Anhöhe ihr Pony und sah sich aufmerksam nach Feinden um. Adlerkopf hatte recht. Es war sehr leichtsinnig, allein in das Land der Ho-he zu reiten, aber ihr blieb keine andere Wahl. Die Geister verlangen, dass man allein nach seiner Vision suchte. Der weiße Büffel wusste sicher, warum er sie in den Bergen der Ho-he erwartete.
Die ersten beiden Tage verliefen ohne einen Zwischenfall. Sie sah keinen Menschen, und selbst die Geister gaben ihr keine Rätsel auf. Ihr einziger Begleiter war der Wind, der aus den Bergen im Norden kam und kühle Luft mitbrachte. Die Sonne hatte ihren Kampf gegen den Donnervogel verloren und blieb hinter einer dichten Wolkendecke. Es regnete leicht. Sie hatte sich ein Büffelfell umgehängt und kniff die Augen gegen den immer stärker werdenden Wind zusammen. Es war kein angenehmer Ritt, aber sie hatte es nicht anders erwartet. Die Geister stellten sie schon mit der langen Reise auf die Probe.
Sie übernachtete zwischen einigen Felsen. Die mannshohen Steine boten ihr guten Schutz, aber sie war allein im Feindesland und zündete kein Feuer an. Ein paar Bissen von dem Pemmikan und einige Schluck aus dem Wasserdarm mussten genügen. Sie rollte das Büffelfell zwischen Krüppelkiefern aus. Ihr Bogen und der Köcher mit den Pfeilen lagen dicht neben ihr. Wenn die Ho-he kamen, war sie bereit. Sturmwind stand hinter einigen Büschen und zupfte an dem kniehohen Gras. Auch er wusste, dass dies ein besonderer Ritt war. Beim leisesten Geräusch würde er seine Herrin warnen, so hatte sie es ihm beigebracht. Sie betete und schlief ein.
Als der blasse Mond am höchsten stand, wurde sie durch ein Geräusch geweckt. Sturmwind schnaubte leise. Sie schreckte hoch, griff nach ihrem Bogen und zog einen Pfeil auf die Sehne. Ein kleiner Hirsch tauchte zwischen den Büschen auf, witterte die fremden Wesen und rannte davon. Sie ließ den Bogen sinken und legte sich wieder hin. Der Schlaf hüllte sie ein, und die Geister schickten ihr einen Traum, in dem Weißer Biber als stolzer Krieger über die Prärie ritt. An seiner Lanze hingen die heiligen Pfeile. Ein schwarzer Vogel stürzte sich auf ihn, und er stürzte vom Pony und verschwand in der Dunkelheit.
Sie wachte schweißgebadet auf und brauchte einige Zeit, bis sie sich an die Wirklichkeit gewöhnt hatte. Das Morgengrauen tauchte die Felsen in schiefergraues Licht. Es regnete nicht mehr, aber die Luft war feucht, und die dunklen Wolken am Himmel kündigten schlechtes Wetter an. Sie trank von dem Wasser und aß etwas Pemmikan, dann stieg sie auf ihr Pony und ritt aus dem Versteck.
Sie hielt auf einem Hügelkamm und musterte das Land, das vor ihr lag. Es hatte sich kaum verändert, seit sie den Fluss überquert hatte. Sie befand sich immer noch auf der Prärie, und die Berge waren immer noch weit entfernt. Die Ho-he waren nicht zu sehen. In einer Senke weideten einige Antilopen, und ein Kaninchen verschwand dicht vor ihr in seinem Bau. Sie rückte den Bogen und den Köcher auf ihrem Rücken zurecht und trieb das Pony an. »Ei-e-ya«, sagte sie leise, »lauf schneller, mein Pony. Der weiße Büffel wartet auf uns.«
Sturmwind verstand, was sie sagte, und flog über das bergige Land. Seine Mähne flatterte im Wind, von seinem Maul trieben Schaumfetzen. Büffelfrau lag flach auf seinem Rücken und genoss den frischen Wind, der sich in ihren Haaren verfing. Sie trieb ihn in eine lang gestreckte Schlucht und griff ihm heftig in die Zügel, als sie die Aasvögel hinter den Felsen entdeckte. Sie kreisten über einem schlauchartigen Seitencanyon, der von dem Tal
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