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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Mitleid, und sie machte keine Ausnahme. Bei einem Ho-he hätte sie keinen Augenblick gezögert. Sie hätte ihm den Pfeil in die Brust gejagt, und auf ihren Lippen wäre der Kriegsruf der Hügelleute gewesen, wenn sie einen Coup geschlagen und seinen Skalp vom Kopf gerissen hätte. Es war Neugier, die sie zurückhielt. Sie sah zum ersten Mal einen Ve-ho und war fasziniert von den vielen Haaren in seinem Gesicht.
    Der Mann hatte keine Ahnung, dass sie in der Nähe war. Er war nicht unvorsichtig und hatte seinen Feuerstock quer über dem Sattel liegen, aber sein prüfender Blick entdeckte nur die Erdhörnchen am Waldrand. Er trägt einen seltsamen Hut, dachte sie, wie ein Schamane beim Wolfstanz, aber seine Jacke ist warm, und die hohen Mokassins sind fest und praktisch.
    Büffelfrau war fasziniert von dem fremden Wesen und hatte längst den Pfeil von der Sehne genommen. Sie würde diesen Mann nicht töten. Was war, wenn die Geister ihn geschickt hatten? Hatte der Schutzgeist des toten Schamanen nicht einen Hintergedanken dabei gehabt, sie so weit nach Norden zu schicken? Vielleicht war es ihr bestimmt, diesen Ve-ho zu sehen und über ihn nachzudenken. Warum ritt er sonst über diese Wiese, mitten im Land der feindlichen Ho-he? Die Männer mit den Haaren im Gesicht mochten dumm sein, aber doch nicht so dumm. Die Ho-he waren mächtige Krieger, und man ritt nur durch ihr Gebiet, wenn es nicht anders ging. Was wollte der Ve-ho im Westen? Sein Stamm lebte doch weit im Osten, das erzählten wenigstens die Pflanzer, und die hatten es von einem Geschichtenerzähler, der dort gewesen sein wollte.
    Sie beobachtete, wie der weiße Mann im Wald verschwand, und blieb minutenlang liegen. Sein Anblick hatte sie verstört, und es fiel ihr schwer, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Ve-ho etwas mit ihrer Vision zu tun hatte. Sie würde ihm wiederbegegnen, irgendwann und irgendwo. Ein Adler schrie in den fernen Bergen. Sie schwang sich auf ihr Pony und folgte dem geheimnisvollen Ruf des Raubvogels. Ob er wusste, wo der weiße Büffel auf sie wartete?
    In der Nacht, als der Mond voll wurde und die Zeit der reifen Kirschen und Pflaumen ankündigte, schlief Büffelfrau zwischen einigen Fichten, einen kurzen Ritt von der nächsten Quelle entfernt. Nur ein Narr schlief direkt am Wasser, wenn er sich im Feindesland befand und jeden Augenblick feindliche Krieger auftauchen konnten. Die Wolken hatten sich verzogen und standen nur noch vereinzelt am Himmel. Der Mond hing bleich in der endlosen Dunkelheit und überschüttete die Bäume mit seinem silbernen Glanz. Es war ein schöner Anblick, fast wie in einem Traum. Büffelfrau fragte sich, warum die Ni-mou-sin immer bei Vollmond auf den Kriegspfad gingen. Vielleicht lag es daran, dass es in ihren Jagdgründen weniger Bäume gab.
    Die letzten Tage hatten keine Überraschungen gebracht, und sie war sicher, dass es im näheren Umkreis keine Ho-he gab. Vor dem Schlafengehen war sie in einem großen Bogen um ihr Lager geritten. Es hatte keine Spuren gegeben, und die Natur hatte ihr eine ruhige Nacht versprochen. Dennoch blieb sie vorsichtig. Leichtsinn war der sicherste Weg in einen schnellen Tod. Sie zündete kein Feuer an, obwohl sie erbärmlich fror, und sie legte ihren Bogen und den Köcher mit den Pfeilen bereit.
    Sie befand sich in den Ausläufern der schneebedeckten Berge. Im hellen Licht des Vollmonds waren die Gipfel deutlich zu erkennen. Sie ragten aus dem felsigen Boden und streckten sich bis in den Himmel, der schwarz und mit hellen Sternen über den Berg hing. Der Anblick der weißen Kuppen brachte sie zum Frösteln. Wie weit musste sie noch reiten, um den weißen Büffel zu treffen? Gab es hier überhaupt Büffel, oder erschien ihr der Schutzgeist in einem Traum? Sie schmunzelte. Geister hatten es einfach. Sie konnten überall sein und sich in Luft auflösen, wenn ihnen etwas nicht passte.
    Bevor die junge Frau sich in den Fellen wärmte, sprach sie ein leises Gebet. Sie kletterte auf einen der klobigen Felsen, die überall im Gras lagen, und reckte die Arme zum Himmel. Ihre Augen hafteten an den schneebedeckten Bergspitzen. »Hört mich an, meine Geister!«, rief sie. »Ich bin eurem Ruf gefolgt und in das Land der weißen Berge geritten. Ich habe die Spuren der Ho-he gefunden und den weißen Mann gesehen. Ich bin hier. Ich suche den weißen Büffel.«
    Büffelfrau schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Sie wälzte sich nervös in

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