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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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sie sich dem Fluss näherten. Sie blieben am Ufer, bis sie die Felsen erreicht hatten. Die grauen Steine wuchsen unvermittelt aus dem Büffelgras und lagen wie die zerfurchten Panzer riesiger Schildkröten am Ufer. Dort war die flachste Stelle des Flusses, und es lag nahe, dass die Shar-ha ihn hier überqueren würden.
    Büffelhöcker verteilte die Krieger in den Felsen und befahl ihnen, so lange zu warten, bis er den ersten Schuss abgefeuert hatte. Er bedeutete seiner Tochter, mit ihm zu kommen, und ging mit ihr hinter einem der Felsbrocken in Deckung. Sie kauerten auf dem felsigen Boden, hoch über dem ausgetretenen Pfad, der zur Furt führte. Unter ihnen würden die Shar-ha vorbeikommen.
    Büffelfrau hatte ihren Bogen vom Rücken genommen und hielt einen Pfeil in der anderen Hand. Die Sonne war zwischen den Wolken hervorgekommen, und sie schwitzte ein wenig, obwohl der Mond der Pflaumen schon fast vorüber war. Dies war ein denkwürdiger Tag. Sie war zum ersten Mal mit ihrem Volk auf dem Kriegspfad und lag mit ihrem Vater, dem Häuptling der Hundesoldaten, in einem Hinterhalt. Es war ein gutes Gefühl, aber in dieses Gefühl mischte sich die Sorge, denn ihre Träume waren kummervoll gewesen, und sie hatte den Kriegern nicht einmal die ganze Wahrheit gesagt.
    »Hast du heute Nacht geträumt?«, fragte Büffelhöcker, als er in das sorgenvolle Gesicht seiner Tochter blickte.
    »Nein«, antwortete sie.
    »Du hast nicht mit den Geistern gesprochen?«
    »Nein, Vater. Es ist alles gesagt.«
    Büffelhöcker ließ nicht locker. Er spürte, dass sie sich große Sorgen machte und am Feuer nicht alles gesagt hatte. »Ist es wegen Weißer Biber?«, fragte er vorsichtig.
    »Er liebt mich, Vater.«
    »Das wissen alle. Und du?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie ehrlich, »ich respektiere ihn und würde gern ein Tipi mit ihm teilen. Aber mein Schutzgeist konnte mir keine endgültige Antwort geben. Er hat schwere Zeiten vorausgesagt und prophezeit, dass Weißer Biber die heiligen Pfeile in die Schlacht tragen würde. Wie kann er die Pfeile tragen, wenn Wolfsgesicht bei uns ist? Wie kann es zu einer Schlacht kommen, wenn wir das Dorf verschonen?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Büffelhöcker, »vielleicht haben sich die Geister geirrt. Auch das ist schon vorgekommen. Wir werden sie mit dem Tod der Shar-ha versöhnen, die gleich in unsere Falle reiten. Das wird sie umstimmen.«

23
Rache
    Weißes Pferd hatte gut gerechnet. Die Sonne stand hoch am Himmel und leuchtete hinter einigen Wolken, als die Shar-ha auf einem Hügelkamm auftauchten. Sie ritten einer hinter dem anderen und unterhielten sich laut. Der vorderste Krieger, anscheinend der Anführer, hatte eine Flinte über dem Sattel liegen. Sein Schädel war bis auf die Skalplocke kahl rasiert. Die restlichen Krieger trugen ihre Haare lang und über der Stirn zu einem hornartigen Gebilde frisiert, das mit Fett und Farbe gefestigt war. Ihre Gesichter waren kantig und streng.
    Büffelfrau legte einen Pfeil auf ihren Bogen und duckte sich tiefer hinter ihre Deckung. Sie würde einen der feindlichen Krieger töten. Kalt und gefühllos, ohne eine Spur von Mitleid. Die Shar-ha hatten ihr Dorf überfallen und viele ihrer Freunde und Verwandten getötet. Sie hatten Blitzfrau umgebracht. Dafür mussten sie sterben. So wollten es die Geister, die jeden bestraften, der sich gegen das Volk wandte.
    Sie blickte nach rechts und sah Weißes Pferd und Kleiner Falke hinter einem Felsen kauern. Der junge Krieger zitterte vor Wut. Er hatte seine Frau verloren und würde erst Ruhe geben, wenn viele Shar-ha dafür gebüßt hatten. Büffelfrau sah an seinem angespannten Gesicht, wie es in ihm brodelte.
    Weißes Pferd sagte etwas zu ihm. Er war ein erfahrener Krieger und lag nicht zum ersten Mal in einem Hinterhalt. Er wirkte ruhig und gefasst, und man erzählte, dass er auch im Kampf keine Gefühle zeigte. Er zog in einen Krieg, um zu töten. Zu Hause war er ein freundlicher und zuvorkommender Krieger, der sich liebevoll um seinen jungen Gefährten kümmerte, im Kampf war er ein mutiger und erbarmungsloser Krieger.
    Gelber Wolf und Dachs waren bei den Pferden geblieben. Sie hatten sich die Zügel um die Handgelenke gewickelt und kauerten auf einem schmalen Pfad zwischen den Felsen. Sie konnten die Shar-ha nicht sehen, hörten aber ihre Stimmen und den Hufschlag ihrer Pferde. Gelber Wolf hielt seine Flinte schussbereit in den Händen. Er hatte sein Gesicht mit roter Farbe bemalt und wirkte

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