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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Flusses zur großen Ratsversammlung.«
    »Ja, mein Häuptling.«
    Kleiner Wolf lud den jungen Krieger ein, die Nacht in einem Tipi der Flussleute zu verbringen, aber Roter Mond lehnte freundlich ab. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause reiten. Dies war eine schwere Prüfung, und er hatte keine Lust, am Feuer zu sitzen und von den alten Zeiten zu träumen. Er wollte seine geliebte Otterfrau im Arm halten und gemeinsam mit ihr zum Großen Geist beten. Er sollte Büffelfrau die Kraft geben, das Volk in eine neue und glückliche Zukunft zu führen.
    Sein Blick wanderte zum Horizont, als er die Pferde nach Hause trieb. Dort erhoben sich die heiligen Berge aus dem kalten Dunst. In Gedanken war er bei Büffelfrau, die allein in die felsigen Schluchten geritten war, um ihren Schutzgeist zu treffen. Er beobachtete einen Adler, der krächzend über den Felshängen schwebte und sich vom Wind treiben ließ. »Aiee, wir sind bei dir, Büffelfrau!«, rief Roter Mond. »Das ganze Volk ist bei dir und betet für dich! Du wirst die Antwort erfahren, die uns retten wird! Wir werden die Pfeile holen, und der geballte Zorn der tsis tsis tas wird die Shar-ha vernichten!«
    Büffelfrau hörte ihn nicht, aber sie spürte die Kraft, die von allen Menschen der Hügelleute ausging und sich auf sie übertrug. Sie war die letzte Hoffnung eines gepeinigten Volkes. Sie wollte dieses Vertrauen nicht enttäuschen und hatte drei Tage und drei Nächte in einem einsamen Canyon gefastet und zu den Geistern gebetet. Die magischen Kräfte ihrer Seele waren erwacht. Ihre Gedanken waren seltsam klar geworden, und sie hatte sogar durch das Federkleid des Adlers gesehen, der über den Felsen schwebt und über sie wachte. Ihr Körper war schwach, aber ihr Geist war stark, und sie hatte den Kampf gegen die bösen Geister aufgenommen. Sie war bereit, die Worte ihres Schutzgeistes zu hören und endlich zu handeln.
    Der weiße Büffel erschien am Morgen des vierten Tages. Er zeigte sich im Schatten einer riesigen Felswand und machte durch ein lautes Schnauben auf sich aufmerksam. »Ich bin gekommen, meine Schwester«, sagte er mit sanfter Stimme.
    Büffelfrau stand auf und ging ihm ein paar Schritte entgegen. Sie erhob eine Hand. »Ich grüße dich, mein Bruder. Mein Volk leidet große Not, und ich bin gekommen, dich um Hilfe zu bitten. Warum hast du mich im Tal der Tränen im Stich gelassen?«
    »Ich habe dich gerettet«, antwortete der Büffel. »Die Kugeln und Pfeile der Shar-ha haben dich nicht getroffen. Ich habe auch deinen Vater und die anderen Hügelleute verschont.«
    »Sie wären lieber gestorben.«
    »Ich weiß«, sagte der Büffel ruhig, »aber dein Volk kann nur am Leben bleiben, wenn seine Krieger an die Zukunft glauben. Es liegt an dir, ihnen diesen Glauben zu geben.«
    »Wolfsgesicht und Weißer Biber sind tot.«
    Der Büffel schnaubte und vertrieb einige Fliegen. »Die Geister haben es so gewollt. Sie mussten sterben, damit dein Volk leben kann. Sie haben die heiligen Pfeile getragen.«
    »Warum, mein Bruder?«
    »Alles ist vorbestimmt. Auf gute Zeiten folgen schlechte Zeiten. Es liegt an starken Menschen wie dir, dem Volk neue Hoffnung und Zuversicht zu geben. Vor vielen Wintern fielen die Sterne vom Himmel, und die Büffel machten einen weiten Umweg. Auch damals gab es einen starken Krieger, der die Botschaft der Geister erfuhr und dein Volk in eine bessere Zukunft führte. Jetzt ist es wieder so weit, und du bist die erwählte Frau.«
    »Bin ich stark genug?«
    »Du wirst Hilfe haben«, antwortete der Schutzgeist, »der Adler wird dich auf deiner langen Reise begleiten, und ich werde an dich denken, wenn der rote Stern verglüht. Vertraue deiner Kraft und glaube dem weißen Mann, der den Wolf tötet.«
    Sie erschrak. »Der Mann mit den blauen Augen?«
    »Ja, meine Schwester.«
    »Er ist ein Ve-ho. Er ist mein Feind.«
    »Nein.«
    Sie blickte in den weißen Nebel, der aus den Nüstern des Büffels kam, und dachte über seine Worte nach. Der Mann mit den blauen Augen besaß eine starke Medizin, das hatte sie bei ihrer flüchtigen Begegnung deutlich gespürt. Er war in Frieden gekommen. Obwohl er in ihrem Rücken gewesen war, hatte er seinen Feuerstock nicht erhoben. Und er hatte sie wie ein Mann angesehen, der sie verehrte. In seinen blauen Augen war derselbe Glanz gewesen wie im Blick von Weißer Biber. Hatten die Geister diesen Mann geschickt? War er gekommen, die Stelle ihres toten Verehrers einzunehmen? Sie kannte den weißen Mann

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