Das Lied der Cheyenne
Kriegsrufe der Shar-ha kamen aus vielen Kehlen und hallten durch den Wald. Der Donnervogel kreiste über den Bäumen und verdunkelte mit seinen breiten Schwingen den Himmel. Es wurde schwarz im Wald, und Büffelfrau fühlte, wie die Hand aus ihrem Traum nach ihrem Herzen griff und es fest zusammenpresste. Der Schmerz erfüllte ihren ganzen Körper, und ihre Gedanken ertranken in einem dunklen See. »Aiee!«, befreite sie sich. Sie ritt zum Waldrand und sprang aus dem Sattel. Auf dem Bauch kroch sie auf den nächsten Hügelkamm.
Ihre Albträume wurden zur bitteren Wirklichkeit. Sie blickte in ein weites Tal hinab und sah, wie hundert feindliche Krieger auf den Hügelkämmen auftauchten und Wolfsgesicht und Weißer Biber umzingelten. Sie hatten gewusst, dass sie kamen. Die beiden Kinder im Wald waren Lockvögel gewesen. Aber warum hatten sie nicht gewartet, bis ihr ganzer Trupp in das Tal geritten war? Hatte ein junger Krieger zu früh geschossen? War es ihm wie Kleiner Falke gegangen? Hatte ihr Schutzgeist eingegriffen und sie vor dem sicheren Tod bewahrt? Oder wussten die Shar-ha um die Bedeutung der heiligen Pfeile, und reichte es ihnen, wenn sie das heilige Bündel erbeuteten?
Büffelfrau würde es niemals wissen. Sie lag im trockenen Büffelgras, den Bogen in der rechten Hand, und musste hilflos mitansehen, wie Wolfsgesicht und Weißer Biber abgeschlachtet wurden. Viele Shar-ha hatten Feuerstöcke. Die Kugeln rissen den Schamanen vom Pferd und warfen ihn zu Boden. Die Lanze mit den Pfeilen fiel ins Gras. Weißer Biber hob sie auf und rief verzweifelt: »Ich werde leben! Ich habe die heiligen Pfeile! Die Macht unserer Pfeile wird euch vernichten!« Die Shar-ha lachten nur und töteten ihn mit Kugeln und Pfeilen. Einer der feindlichen Krieger ritt zu dem leblosen Körper, schlug einen Coup und riss das Bündel mit den heiligen Pfeilen von der Lanze. Er hielt es triumphierend hoch und rief etwas in seiner Sprache.
Sie wissen, wie wichtig die Pfeile für uns sind, erkannte sie entsetzt. Nur deshalb haben sie gleich angegriffen. Sie begann zu weinen. Um Wolfsgesicht, um Weißer Biber, um ihr ganzes Volk. Es gab keine Möglichkeit für sie, einzugreifen. Selbst wenn sie doppelt so viele Krieger gewesen wären, hätte es nichts genützt. Ohne das heilige Bündel waren sie hilflos. Die Shar-ha hatten die Seele der tsis tsis tas zerstört. Ihr Angriff hatte das Herz des Volkes vernichtet und ihm die Hoffnung und die Zukunft genommen.
»Maheo«, sagte Büffelfrau, während die Tränen über ihre Wangen rannen, »warum tust du uns das an?«
Büffelhöcker tauchte neben ihr auf und war entsetzt. Er konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Sie erstickten seine Seele und nahmen ihm die Luft zum Atmen. Er blieb wortlos neben seiner Tochter liegen und bedeckte die Augen mit seinem Unterarm. Wie ein kleines Kind, das gefallen war und weinte.
Es war ein trauriger Tag für die tsis tsis tas. Sie hatten keinen Kampf, sondern ihre Zukunft verloren. Wenn die heiligen Pfeile nicht in ihrem Besitz waren, gab es nur Unglück. Dies geschah zum ersten Mal in der langen Geschichte ihres Volkes, und sie wussten nicht damit umzugehen. Sie starben, ohne auf die lange Reise in eine andere Welt zu gehen. Sie fielen in das schwarze Loch, aus dem sie vor vielen Wintern gekommen waren.
»Du hast es gewusst«, sagte Büffelhöcker leise.
»Ich habe es geahnt«, erwiderte Büffelfrau.
Sie beobachteten, wie die Shar-ha ihre Pfeile in die leblosen Körper von Wolfsgesicht und Weißer Biber schossen, sie skalpierten und verstümmelten. Die Shar-ha waren trunken vor Freude. Sie hatten ihren schlimmsten Feind vernichtet und gedemütigt und feierten ausgelassen wie Kinder. Sie ahnten, dass die Hügelleute zuschauten, und labten sich an der Hilflosigkeit der unsichtbaren Feinde, die hilflos mitansehen mussten, wie das heilige Bündel ihrer Götter verschwand.
Der Anführer der Shar-ha, ein stämmiger Mann mit starken Muskeln und der hornartigen Frisur seines Volkes, hielt das Bündel triumphierend hoch. Die Halsabschneider waren besiegt. Sie hatten zwei einsame Krieger getötet und mit wenigen Kugeln ein ganzes Volk vernichtet. »Reitet nach Hause!«, rief der Shar-ha in seiner Sprache, aber sein spöttischer Tonfall wurde auf von den Hügelleuten verstanden. »Ohne die Pfeile seid ihr hilfloser als die Käfer im Sand. Reitet nach Hause und erzählt euren Frauen, dass sie es nicht wert sind, solche Männer zu haben. Ei-ya, die cha-hik-sicha-hiks
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