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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Ragen als Gemahl haben wollte, gegen den ausdrücklichen Wunsch ihrer Mutter. Seit ihrer Hochzeit haben die beiden nie mehr miteinander gesprochen. Elissa ist nun eine Händlerin, wenn auch eine sehr vermögende. Und wenn sie die Mütterschule nicht besuchen kann, wird sie in der Stadt nie ein Amt bekleiden, geschweige denn, in den Dienst des Herzogs aufgenommen werden.«
    Arlen schwieg, während Margrit seine Wunden reinigte und seine Kleidung vom gekachelten Fußboden aufsammelte. Als sie die Flecken und Risse begutachtete, schnalzte sie missbilligend mit der Zunge. »Solange du noch in der Wanne sitzt, werde ich deine Sachen ausbessern«, versprach sie und überließ ihn sich selbst. Als sie fort war, versuchte Arlen, sich einen Reim auf all das zu machen, was sie ihm erzählt hatte, doch das meiste war für ihn völlig unverständlich.
    Margrit erinnerte Arlen ein wenig an Catrin Vielfraß, Ruscos Tochter. »Sie würde dir jedes Geheimnis der Welt verraten, nur um ihre eigene Stimme noch ein Weilchen länger hören zu können«, hatte Silvy immer gesagt.
    Später kehrte Margrit mit neuen, wenn auch schlecht sitzenden Kleidungsstücken zurück. Sie verband seine Wunden und half ihm trotz seiner Proteste beim Anziehen. Die Ärmel der Tunika musste er hochkrempeln, damit man überhaupt seine
Hände sah, und wenn er die Hosenbeine nicht mehrfach umgeschlagen hätte, wäre er beim Laufen draufgetreten. Aber zum ersten Mal seit Wochen fühlte sich Arlen sauber.
    Zusammen mit Ragen und Elissa nahm er ein frühes Abendessen ein. Ragen hatte seinen Bart gestutzt, das Haar im Nacken zurückgebunden und ein feines, weißes Hemd angezogen; dazu trug er einen Rock aus dunkelblauem Wildleder und Breeches.
    Zu Ehren von Ragens Heimkehr hatte man ein Schwein geschlachtet, und bald war der Tisch beladen mit Koteletts, Rippchen, Scheiben von Bauchspeck und saftigen Würsten. Bedienstete schleppten Krüge mit gekühltem Bier und kaltem, klarem Wasser herbei. Elissa runzelte die Stirn, als Ragen einem Diener einen Wink gab, er möge Arlen einen Becher voll Bier einschenken, aber sie sagte nichts. Sie nippte Wein aus einem derart zierlichen Glas, dass Arlen befürchtete, ihre schlanken Finger könnten es zerbrechen. Es gab knuspriges Brot, so weiß, wie Arlen noch keines gesehen hatte, und Schüsseln voll gekochter Rüben und Kartoffeln, die in Butter schwammen.
    Als Arlen die Speisen betrachtete und ihm das Wasser im Mund zusammenlief, erinnerte er sich plötzlich an die Menschen draußen in der Stadt, die um einen Happen Essen betteln mussten. Doch bald siegte sein Hunger über das schlechte Gewissen, und er kostete von sämtlichen Gerichten, seinen Teller immer wieder nachfüllend.
    »Beim Schöpfer, wo lässt du das alles?«, fragte Elissa und klatschte vergnügt in die Hände, als Arlen eine Portion nach der anderen verschlang. »Hast du ein Loch in deinem Bauch?«
    »Beachte sie gar nicht, Arlen«, meinte Ragen. »Frauen werkeln den ganzen Tag lang in der Küche herum, trotzdem essen sie nicht mehr als ein Spatz, aus Angst, unelegant zu wirken.
Wir Männer verstehen es besser, eine gute Mahlzeit zu würdigen.«
    »Er hat ja Recht, weißt du«, warf Elissa ein und verdrehte die Augen. »Frauen können in den Genüssen des Lebens nicht so hemmungslos schwelgen wie die Männer.«
    Ragen zuckte zusammen und verschüttete sein Bier, und Arlen merkte, dass sie ihm unter dem Tisch einen Fußtritt verpasst hatte. In diesem Moment beschloss er, dass er sie mochte.
    Nach dem Essen erschien ein Page in einem grauen Heroldsrock, auf dem vorne das Wappen des Herzogs prangte. Er erinnerte Ragen an das Treffen, und der Kurier seufzte; doch er versicherte dem Pagen, sie würden unverzüglich aufbrechen.
    »Arlen ist für einen Besuch beim Herzog wohl kaum angemessen gekleidet«, regte Elissa sich auf. »Man präsentiert sich nicht Seiner Gnaden, wenn man aussieht wie ein Bettler!«
    »Wir können es aber nicht ändern, mein Schatz«, stellte Ragen fest. »Bis Sonnenuntergang sind es nur noch ein paar Stunden. Die Zeit reicht nicht, um einen Schneider kommen zu lassen.«
    Elissa weigerte sich, das Argument zu akzeptieren. Eine Weile starrte sie den Jungen an, dann schnippte sie plötzlich mit den Fingern und segelte aus dem Raum. Kurz danach kam sie mit einem blauen Wams und einem Paar glänzend polierter Lederstiefel zurück.
    »Einer unserer Pagen ist ungefähr so alt wie du«, erzählte sie Arlen, als sie ihm half, das Wams und die Stiefel

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