Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
Ende fünfzig, mit grau meliertem Haar und einem dichten Bart. Seine grüne Tunika wies dort, wo er seine Hände an ihr abgewischt
hatte, frische Fettflecken auf, aber sie war üppig mit Goldfäden bestickt; darüber trug er einen pelzverbrämten Umhang. An seinen Fingern glitzerten Ringe, und die Stirn schmückte ein Goldreif.
    »Endlich geruhst du, uns mit deiner Anwesenheit zu beehren«, rief der Herzog, obwohl seine Worte mehr an die übrigen im Raum anwesenden Personen gerichtet zu sein schienen als an Ragen. Und auf diese Bemerkung hin fingen seine Anverwandten tatsächlich an zu nicken und untereinander zu murmeln, was wiederum einige Leute aus der Menge, die die Posttasche umringte, veranlasste, neugierig die Köpfe zu heben. »Waren meine Angelegenheiten nicht dringend genug?«
    Ragen trat vor das Podium und begegnete dem Blick des Herzogs mit starrer Miene. »Fünfundvierzig Tage lang war ich unterwegs, um von hier nach Angiers und zurück zu reisen, mit einem Abstecher nach Tibbets Bach!«, donnerte er. »Siebenunddreißig Nächte lang habe ich unter freiem Himmel geschlafen, während Horclinge versuchten, meinen Bannkreis zu durchbrechen!« Keine Sekunde lang wandte er den Blick vom Herzog ab, doch Arlen wusste, dass auch er zu den übrigen Anwesenden sprach. Die meisten erbleichten und erschauerten bei diesen Worten.
    »Sechs Wochen lang blieb ich von zu Hause fort, Euer Gnaden«, sprach Ragen weiter. Er senkte seine Stimme auf eine normale Lautstärke, trotzdem konnte man ihn noch im hintersten Winkel des Saales hören. »Missgönnt Ihr mir ein Bad und eine Mahlzeit mit meiner Frau?«
    Der Herzog zögerte, und sein Blick huschte unstet über die Ansammlung von Hofschranzen. Schließlich fing er dröhnend an zu lachen. »Nein, natürlich nicht!«, rief er. »Ein beleidigter Herzog kann einem Mann das Leben schwer machen, aber nicht halb so sehr wie eine beleidigte Ehefrau!«

    Die Spannung löste sich, als der Hof in schallendes Gelächter ausbrach. »Ich will mit meinem Kurier allein sprechen«, befahl der Herzog, als das Lachen abebbte. Es gab Gemurre von denjenigen, die nach Neuigkeiten lechzten, doch Jone gab ihrer Dienerin einen Wink, sie möge mit den Briefen verschwinden, und die Hälfte des Hofstaates entfernte sich mit ihr. Die herzogliche Sippschaft trödelte noch ein Weilchen herum, bis Jone energisch in die Hände klatschte. Das Geräusch ließ die Leute zusammenzucken, und sie trollten sich, so schnell es ihre Würde erlaubte.
    »Du bleibst hier«, zischelte Ragen Arlen zu, der in einer respektvollen Entfernung vom Thron haltgemacht hatte. Auf ein Zeichen der Kammerfrau hin schlossen die Wachposten die großen Türflügel, blieben jedoch im Audienzzimmer. Im Gegensatz zu den Männern, die das Außenportal bewachten, machten diese einen pfiffigen, bestens geschulten Eindruck. Jone bestieg das Podium und stellte sich neben ihren Herrn und Gebieter.
    »Wage es nicht noch einmal, vor meinem Hof in dieser dreisten Art mit mir zu sprechen!«, grollte Euchor, nachdem sich auch der letzte Nachzügler entfernt hatte.
    Der Kurier deutete eine Verbeugung an, um zu signalisieren, dass er sich fügte, doch selbst in Arlens Auge wirkte diese Pose unecht. Der Junge erschauerte vor Ehrfurcht, Ragen hingegen ließ sich durch nichts einschüchtern. Angst schien er gar nicht zu kennen.
    »Es gibt Neuigkeiten aus der Gemeinde Tibbets Bach, Euer Gnaden«, hob der Kurier an.
    »Tibbets Bach?«, brauste Euchor auf. »Was kümmert mich Tibbets Bach? Ich will wissen, was ich von Rhinebeck zu erwarten habe!«
    »Ohne das Salz mussten die Bewohner von Tibbets Bach einen schweren Winter durchstehen«, fuhr Ragen fort, ohne
auf den Ausbruch des Herzogs einzugehen. »Außerdem gab es einen Angriff …«
    »Bei der Nacht, Ragen«, schnauzte Euchor. »Von Rhinebecks Antwort könnte die Zukunft von ganz Miln abhängen, also erspare mir eine Aufzählung von Geburten und Ernteerträgen, die ein jämmerliches kleines Kaff betreffen!«
    Arlen schnappte nach Luft und zog sich schutzsuchend hinter Ragen zurück; doch der streckte die Hand nach ihm aus und drückte aufmunternd seinen Arm.
    »Oder hat man in Tibbets Bach etwa Gold gefunden?«, legte Euchor zynisch nach.
    »Nein, Euer Gnaden, das nun wieder nicht«, erwiderte Ragen. »Aber …«
    »Wurde im Dorf Sonnige Weide vielleicht ein Kohlebergwerk in Betrieb genommen?«, fiel Euchor ihm ins Wort.
    »Nein, Euer Gnaden.«
    »Haben die wackeren Dörfler die verlorengegangenen

Weitere Kostenlose Bücher