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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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herumfuhrwerkten, vor Schmutz starrten. Sobald sie eingetreten waren, sprang ein Junge, der nicht viel älter war als Arlen, auf die Füße. Er flitzte zu einem Glockenzug am Fuß einer breiten Marmortreppe, und melodische Klänge hallten durch das Haus.
    »Wie ich sehe, hat dich dein Glück wieder einmal nicht im Stich gelassen«, rief im nächsten Moment eine Frau. Sie hatte schwarzes Haar und glänzende blaue Augen. Ihr dunkelblaues Kleid war das schönste Gewand, das Arlen jemals gesehen hatte, und an ihren Handgelenken und am Hals funkelten Juwelen. Sie stand auf einem marmornen Balkon, der die Eingangshalle überragte, und blickte mit kühlem Lächeln auf sie hinunter. Einer so bezaubernden und anmutigen Frau war Arlen in seinem ganzen Leben noch nicht begegnet.
    »Meine Gemahlin Elissa«, erklärte Ragen mit leiser Stimme. »Ein Grund, nach Hause zurückzukehren … und ein Grund, mein Heim wieder zu verlassen.« Arlen wusste nicht, ob er scherzte oder die Bemerkung ernst meinte. Die Frau machte jedenfalls nicht den Eindruck, als sei sie über ihre Ankunft erfreut.
    »Einmal werden die Horclinge dich kriegen«, prophezeite Elissa, als sie die Treppe hinunterschwebte. »Dann bin ich endlich frei und kann meinen jungen Liebhaber heiraten.«

    »Dazu wird es niemals kommen«, erwiderte Ragen lächelnd und zog sie an sich, um sie zu küssen. Zu Arlen gewandt, fuhr er fort: »Elissa sehnt den Tag herbei, an dem sie mein Vermögen erbt. Deshalb bin ich ja so wachsam, was die Horclinge betrifft. Ich will nicht nur mich selbst schützen, sondern auch verhindern, dass sie mich beerbt. Diesen Triumph gönne ich ihr nicht.«
    Elissa lachte, und Arlen entspannte sich. »Wen hast du da mitgebracht?«, fragte sie. »Einen Herumtreiber, damit du dir keine Mühe mehr zu geben brauchst, mit mir ein eigenes Kind zu zeugen?«
    »Das einzig Mühsame am Umgang mit dir ist der Versuch, deine zu Eis erstarrten Unterröcke aufzutauen, mein Schatz«, schoss Ragen prompt zurück. »Darf ich dir Arlen aus Tibbets Bach vorstellen? Ich traf ihn unterwegs auf der Straße.«
    »Auf der Straße?«, wunderte sich Elissa. »Er ist doch noch ein Kind!«
    »Ich bin kein Kind mehr«, protestierte Arlen und kam sich gleich darauf töricht vor. Ragen maß ihn mit einem warnenden Blick, und er senkte den Kopf.
    Elissa gab durch nichts zu erkennen, dass sie diesen Ausbruch gehört hatte. »Leg deine Rüstung ab und nimm ein Bad«, befahl sie ihrem Mann. »Du stinkst nach Schweiß und Rost. Ich werde mich inzwischen um unseren Gast kümmern.«
    Nachdem Ragen sich entfernt hatte, rief Elissa eine Dienerin, damit sie Arlen einen Imbiss zubereitete. Ragens Haushalt schien über mehr Dienstboten zu verfügen, als Tibbets Bach Einwohner hatte. Man servierte ihm Scheiben von kaltem Schinken und ein dickes Stück Brot; dazu gab es saure Sahne und Milch. Elissa sah ihm beim Essen zu, aber Arlen fiel nichts ein, was er hätte sagen können, und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Teller.

    Als er den letzten Rest der sauren Sahne vertilgte, trat eine Dienerin ein; ihr Kleid war von derselben Farbe wie die Röcke der männlichen Bediensteten. Sie verbeugte sich vor Elissa. »Meister Ragen wartet oben auf dich«, meldete sie.
    »Ich danke dir, Mutter«, erwiderte Elissa. Einen Moment lang nahm ihr Gesicht einen seltsamen Ausdruck an, während sie zerstreut mit der Hand über ihren Bauch strich. Dann lächelte sie und warf einen schnellen Blick auf Arlen. »Bereite unserem Gast ein Bad«, befahl sie, »und drück ihn so lange unter Wasser, bis du erkennen kannst, welche Hautfarbe er hat.« Lachend rauschte sie aus dem Zimmer.
    Arlen, der es gewöhnt war, in einem Trog zu stehen und sich mit kaltem Wasser zu übergießen, war fassungslos, als er Ragens tiefe Steinwanne sah. Er wartete, während Margrit, die Dienerin, einen Kessel voll heißes Wasser hineinschüttete, um sein Bad anzuwärmen. Sie war groß, wie jeder in Miln, und hatte freundliche Augen; die honigblonden Strähnen, die unter ihrer Haube hervorlugten, wiesen nur einen leichten Anflug von Grau auf. Während Arlen sich auszog und in die Wanne stieg, drehte sie sich um. Als sie dann die vernähten Wunden auf seinem Rücken sah, schnappte sie entsetzt nach Luft und eilte flugs herbei, um sie zu untersuchen.
    »Au!«, schrie Arlen, als sie, für ihn völlig überraschend, in die oberste Wunde kniff.
    »Stell dich nicht so an«, schalt sie ihn, während sie ihren Daumen und Zeigefinger

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