Das Lied der Dunkelheit
stehen.
»Jaik ist hier, um dich zur Vorstellung des Jongleurs abzuholen«, erklärte Cob.
»Ich würde ja gern mitgehen«, wandte sich Arlen an Jaik, »aber ich muss noch …«
»Die Arbeit kann liegen bleiben, damit hat es keine Eile«, schnitt Cob ihm kurzerhand das Wort ab. »Lauf los und hab ein bisschen Spaß.« Er warf Arlen einen kleinen Beutel voller Münzen zu und schob die beiden Jungen zur Tür hinaus.
Bald schlenderten Arlen und Jaik über den belebten Markt, der den zentralen Stadtplatz von Miln umgab. An einem Stand kaufte Arlen für einen silbernen Stern Fleischpasteten, und später, als sein und Jaiks Gesicht mit Fett verschmiert waren, gab er ein paar Kupferheller für eine Handvoll Süßigkeiten aus.
»Eines Tages werde ich ein Jongleur sein«, verkündete Jaik, ein Bonbon lutschend, während sie zu der Stelle des Platzes spazierten, an der sich die Kinder versammelten.
»Ehrlich?«, staunte Arlen.
Jaik nickte. »Schau mal«, forderte er Arlen auf, zog drei kleine Holzbälle aus seinen Taschen und warf sie in die Luft. Im nächsten Moment fing Arlen lauthals an zu lachen, als einer der Bälle auf Jaiks Kopf fiel und die anderen unkontrolliert auf dem Boden landeten.
»Meine Finger sind immer noch fettig«, erklärte Jaik, während sie den davonrollenden Bällen hinterherjagten.
»Das glaub ich dir gern«, erwiderte Arlen. »Und ich werde mich in die Gilde der Kuriere eintragen lassen, sobald meine Lehrzeit bei Cob zu Ende geht.«
»Ich könnte doch dein Jongleur sein!«, rief Jaik. »Wir könnten gemeinsam die Prüfungen ablegen!«
Arlen sah ihn nachdenklich an. »Hast du jemals einen Horcling gesehen?«
»Was ist, denkst du, ich sei zu feige für die Straße?«, fragte Jaik und schubste ihn.
»Na klar. Und zu blöd bist du obendrein«, entgegnete Arlen und schubste zurück. Kurz darauf balgten sich beide auf dem Boden herum. Für sein Alter war Arlen immer noch klein und schmächtig, und schon bald hatte Jaik die Oberhand gewonnen. Er hockte rittlings auf Arlen und hielt ihn fest.
»Schon gut, schon gut!« Arlen lachte. »Du darfst mein Jongleur sein!«
»Dein Jongleur?«, spottete Jaik, ohne ihn loszulassen. »Du bist wohl eher mein Kurier!«
»Und was hältst du von einer Partnerschaft?«, schlug Arlen vor. Jaik grinste, reichte ihm die Hand und half ihm beim Aufstehen. Nicht mehr lange, und sie saßen auf den Steinblöcken beim Stadtplatz; vergnügt sahen sie zu, wie die Gehilfen des Jongleurs Rad schlugen und Pantomimen aufführten, um die Spannung für die vormittägliche Hauptvorstellung zu steigern.
Arlen klappte die Kinnlade herunter, als er Keerin erkannte, der endlich den Platz betrat. Groß und dünn wie ein rothaariger Laternenpfahl, war der Jongleur unverwechselbar. Die Zuschauer brachen in frenetischen Jubel aus.
»Das ist Keerin!«, rief Jaik und schüttelte vor Aufregung Arlens Schulter. »Den mag ich am liebsten!«
»Tatsächlich?«, platzte Arlen überrascht heraus.
»Wer ist dein Favorit?«, wollte Jaik wissen. »Marley? Koy? Das sind keine Helden wie Keerin.«
»Als ich ihm begegnet bin, machte er auf mich keinen besonders heldenhaften Eindruck«, entgegnete Arlen skeptisch.
»Wie, du kennst Keerin?« Verblüfft riss Jaik die Augen auf.
»Er kam einmal nach Tibbets Bach«, erzählte Arlen. »Er und Ragen fanden mich auf offener Straße und brachten mich nach Miln.«
»Keerin hat dich gerettet?«
»Nein, es war Ragen, der mich gerettet hat«, stellte Arlen richtig. »Keerin fürchtete sich vor jedem Schatten.«
»Beim Horc, das kann aber nicht stimmen«, widersprach Jaik. »Glaubst du, dass er sich an dich erinnert? Kannst du mich nach der Vorstellung mit ihm bekannt machen?«
»Mal sehen«, antwortete Arlen gleichgültig.
Keerins Auftritt begann ähnlich wie seine Darbietung damals in Tibbets Bach. Er jonglierte und tanzte, brachte die
Menge in Stimmung, ehe er den Kindern die Geschichte von der Rückkehr erzählte und sie mit Pantomimen, Salti rückwärts und Purzelbäumen untermalte.
»Sing das Lied!«, brüllte Jaik. Andere Zuschauer schlossen sich dem Wunsch an und baten Keerin, er möge singen. Eine Zeit lang schien er nicht darauf einzugehen, bis die Forderung donnernd skandiert wurde und die Leute im Takt mit den Füßen stampften. Zum Schluss lachte er, machte eine Verbeugung und griff nach seiner Laute; die Zuschauer bedankten sich mit einem tosenden Applaus.
Er vollführte ein paar Gesten, und Arlen sah, dass seine Gehilfen Hüte holten
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