Das Lied der Dunkelheit
zunehmend gefiel, wenn Lady Elissa ihn verhätschelte.
»Da kommt er ja«, rief Gaims in dieser Nacht, als der riesige Dämon aus dem Boden aufstieg. Woron stellte sich neben seinen Kameraden, und von ihrem Wachturm aus beobachteten sie, wie der Horcling die Umgebung vor dem Stadttor beschnüffelte. Plötzlich entlud sich ein schauriges Geheul aus seinem Rachen, er machte kehrt und kletterte hastig auf die Spitze eines Hügels. Dort tanzte bereits ein Flammendämon, doch der Felsendämon stieß ihn brutal zur Seite und beugte sich tief über den Boden; offensichtlich schien er nach etwas zu suchen.
»Der alte Einarm ist heute Nacht aber schlecht gelaunt«, bemerkte Gaims, als der Dämon abermals ein wütendes Gebrüll ausstieß. Danach raste er die Hügelflanke herunter zu einem kleinen Feld, auf dem er in tief gebückter Stellung hin und her jagte.
»Was könnte bloß in ihn gefahren sein?«, überlegte Woron. Sein Kamerad zuckte ratlos die Achseln.
Der Dämon verließ das Feld und stürmte wieder hügelan. Seine Schreie klangen beinahe gequält, und als er zum Tor zurückkehrte, hämmerte er wie wahnsinnig auf die Siegel ein; seine Krallen versprühten gewaltige Funkenschauer, wenn die machtvolle Magie sie abwehrte.
»So was kriegt man nicht jede Nacht zu sehen«, sinnierte Woron. »Ob wir Meldung machen sollen?«
»Wozu sollte das gut sein? Das ist nur unnütze Arbeit«, wehrte Gaims ab. »Keiner schert sich um die Sperenzchen eines verrückten Horclings, und selbst wenn es anders wäre, was könnte man schon dagegen unternehmen?«
»Gar nichts«, räumte Woron ein. »Jeder, den man rausschicken würde, um dieses Monstrum zu vertreiben, scheißt sich höchstens in die Hosen.«
Arlen stemmte sich von der Werkbank weg, streckte den Rücken und stand auf. Die Sonne war längst untergegangen, und sein leerer Magen knurrte gereizt, aber der Bäcker zahlte den doppelten Preis dafür, dass seine Siegel über Nacht ausgebessert wurden, obwohl seit undenklichen Zeiten kein Dämon mehr in der Stadt gesichtet worden war. Er hoffte, dass Cob etwas für ihn im Kochtopf gelassen hatte.
Arlen öffnete die Hintertür des Ladens und steckte den Kopf nach draußen; ein Halbkreis aus Siegeln vor dem Eingang bildete einen geschützten Bereich. Er spähte nach rechts und links, und als er sich vergewissert hatte, dass keine Gefahr drohte, trat er hinaus auf den Pfad, wobei er sorgfältig darauf achtete, mit seinem Fuß keines der Symbole zu verdecken.
Der Weg, der von der Rückseite von Cobs Laden zu seiner kleinen Kate führte, war sicherer als die meisten Häuser in Miln; er war mit quadratischen Platten gepflastert, die aus gegossenem Stein bestanden, und jede einzelne dieser Flächen trug ein anderes Schutzzeichen. Dieser Stein - Cob nannte ihn Beton - war das Produkt einer Wissenschaft aus der
alten Welt, ein Wunder, von dem in Tibbets Bach noch niemand etwas gehört hatte, das in Miln jedoch ganz alltäglich war.
Zu Pulver zermahlenes Silikat und Kalk wurden mit Wasser und grobem Sand vermischt; dieses Gemenge ergab dann eine breiige Substanz, die sich in jede beliebige Form modellieren und verfestigen ließ. Man konnte Beton gießen, und wenn er sich langsam verhärtete, vorsichtig Siegel in die weiche Masse ritzen; war sie jedoch erst einmal erstarrt, gab sie einen nahezu unverwüstlichen Schutz ab.
Cob hatte diesen Plattenweg angelegt, indem er einen Stein nach dem anderen goss und mit Schutzzeichen versah, bis zwischen seinem Zuhause und seinem Laden dieser Weg verlief. Selbst wenn eine Kachel aus irgendeinem Grund - zum Beispiel durch Verschmutzung - keine sichere Zuflucht mehr bot, konnte man einfach auf die davor oder dahinter liegende Platte springen und war vor Horclingen geschützt.
Wenn wir eine solche Straße bauen könnten, dachte Arlen, würde uns die ganze Welt gehören.
In der Kate traf er Cob dabei an, wie er sich über seinen Schreibtisch beugte und über mit Kreide bekritzelten Schiefertafeln brütete.
»Das Essen ist noch warm«, brummte der Meister, ohne hochzublicken. Arlen trat an die Feuerstelle der Kate, die aus einem einzigen Raum bestand, und füllte eine Schüssel mit Cobs klumpigem Eintopf.
»Beim Schöpfer, Junge, da hast du uns ja was Schönes eingebrockt«, knurrte Cob, straffte die Schultern und deutete auf die Tafeln. »Die Hälfte der Bannzeichner in Miln wollen ihre Geheimnisse nicht preisgeben, selbst dann nicht, wenn wir sie in unsere einweihen. Von den Übrigen bietet uns
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