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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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freudig in die Todeszone.

    Bald, dachte Arlen, werden hier nur noch Horclinge getötet.
    Gleich hinter dem Haupttor befand sich der Große Basar, wo Handeltreibende vor Hunderten vollbepackter Karren ihre Waren verhökerten und die Luft durchtränkt war mit den Aromen scharfer Krasianischer Gewürze und den Düften von Weihrauch und exotischen Parfums. Teppiche, Ballen feinster Stoffe und herrlich bemalte Töpferwaren fand man direkt neben Bergen von Früchten und brüllendem Vieh. Hier herrschte Lärm und dichtes Gedränge, und über alles und jedes wurde lautstark gefeilscht.
    Auf jedem anderen Marktplatz, den Arlen kannte, schien es von Männern zu wimmeln; doch der Große Basar von Krasia wurde von Frauen dominiert, und alle waren vom Kopf bis zu den Füßen mit dicken schwarzen Tüchern verhüllt. Geschäftig eilten sie hin und her, kauften und verkauften, schnauzten einander vehement an und reichten ihre abgewetzten Goldmünzen nur widerstrebend weiter.
    Schmuckstücke und grellbunte Stoffe verkaufte man in rauen Mengen, aber noch nie hatte Arlen gesehen, dass sie auch getragen wurden. Männer hatten ihm erzählt, die Frauen würden sich unter ihren schwarzen Gewändern mit Juwelen und farbenfroher Kleidung schmücken, aber mit Sicherheit wussten das nur ihre Ehemänner.
    Fast alle Krasianer über sechzehn waren Krieger. Einige wenige waren dama , Heilige Männer, die gleichzeitig als Krasias weltliche Führer fungierten. Kein Beruf außer diesen beiden galt als ehrenvoll. Diejenigen, die ein Handwerk ausübten, nannte man khaffit und behandelte sie verächtlich; in der Krasianischen Gesellschaft nahmen sie eine Stellung ein, die sie kaum über die Frauen erhob. Die Frauen verrichteten sämtliche Alltagsarbeiten in der Stadt, sie bestellten die Felder, kochten
für ihre Familien und kümmerten sich um die Kinder. Sie stachen Ton und fertigten Töpferwaren an, bauten Häuser und setzten sie instand, trainierten und schlachteten Tiere und verkauften ihre Waren auf dem Markt. Kurzum, sie taten alles außer kämpfen.
    Doch trotz ihrer endlosen Plackerei waren sie den Männern bedingungslos ausgeliefert. Die Ehefrauen und unverheirateten Töchter eines Mannes galten als dessen Eigentum, und er konnte mit ihnen frei nach Belieben verfahren, durfte sie sogar töten. Einem Mann war es gestattet, sich mehrere Gemahlinnen zu nehmen, doch wenn eine Frau einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war, auch nur einen Blick auf ihr unverschleiertes Gesicht gewährte, konnte sie mit dem Tod bestraft werden, und oftmals wurde diese Strafe auch vollstreckt. Krasianische Frauen hielt man für entbehrlich. Doch man brauchte jeden einzelnen Mann.
    Ohne ihre Frauen, so viel wusste Arlen, wären die krasianischen Männer verloren gewesen, doch die Frauen behandelten Männer grundsätzlich mit Ehrerbietung, und ihre Ehemänner schienen sie fast zu vergöttern. Jeden Morgen strömten sie aus dem Stadttor, um die Toten des nächtlichen alagai’sharak zu bergen; über den Leichen ihrer Männer brachen sie in Wehklagen aus, und ihre kostbaren Tränen sammelten sie in winzigen Fläschchen. Wasser war in Krasia von unschätzbarem Wert, und den Rang, den ein Krieger zu seinen Lebzeiten eingenommen hatte, konnte man an der Anzahl der Tränenfläschchen ermessen, die nach seinem Tod gefüllt wurden.
    Wenn ein Mann starb, erwartete man, dass dessen Brüder oder Freunde seine Gemahlinnen übernahmen, damit sie immer einen Mann hatten, dem sie dienen konnten. Einmal hatte Arlen im Labyrinth einen sterbenden Krieger in den Armen gehalten, der ihm seine drei Ehefrauen angeboten hatte.
»Sie sind wunderschön, Par’chin «, beteuerte er, »und fruchtbar. Sie werden dir viele Söhne schenken. Versprich mir, dass du sie nimmst.«
    Arlen versprach, für sie zu sorgen, und dann fand er einen anderen Mann, der bereit war, sich ihrer anzunehmen. Er hätte zu gern gewusst, was sich unter den Gewändern der Krasianischen Frauen verbarg, aber seine Neugier ging nicht so weit, dass er seinen tragbaren Bannzirkel gegen ein Lehmhaus und seine Freiheit gegen eine Familie eingetauscht hätte.
    Hinter fast jeder Frau zockelte eine Schar gelbbraun gekleideter Kinder her; die Mädchen bedeckten ihre Haare mit Kopftüchern, die Jungen trugen Stoffmützen. Bereits mit elf Jahren galten die Mädchen als heiratsfähig und legten die schwarzen Frauengewänder an; die Jungen schickte man noch früher auf den Exerzierplatz. Die meisten entschieden sich dann für die

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