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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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allnächtlichen Krieg herbeiführen konnten.
    Seine Gedanken zerstreuten sich, als er die Oase sichtete. Manchmal reflektierte der Sand den blauen Himmel und verleitete einen Mann dazu, von der Straße abzuweichen, um zu einer Wasserstelle zu eilen, die gar nicht existierte. Doch als sein Pferd zügiger ausschritt, wusste Arlen, dass er keinem Trugbild aufsaß. Morgenröte konnte das Wasser riechen.
    Tags zuvor waren ihnen die Wasservorräte ausgegangen, und als sie den kleinen Teich erreichten, waren Arlen und sein Pferd halb verdurstet. Gemeinsam senkten sie die Köpfe über das kühle Wasser und fingen gierig an zu trinken.
    Als sie ihren Durst gestillt hatten, füllte Arlen die Wasserschläuche wieder auf und legte sie in den Schatten eines der Monolithen aus Sandstein, die wie stumme Wächter die Oase umstanden. Er prüfte die eingeritzten Siegel und stellte fest, dass sie intakt waren, doch sie wiesen Spuren von Verwitterung auf. Der ewige Flugsand scheuerte sie allmählich ab, und mit der Zeit verwischten sie an den Rändern. Also griff er zu seinem Werkzeug, um die Linien zu vertiefen und die Siegel deutlicher hervortreten zu lassen, damit das Netz erhalten blieb.
    Während Morgenröte an den harten Grashalmen und den Blättern von verkrüppelten Sträuchern knabberte, pflückte Arlen Datteln, Feigen und andere Früchte von den Bäumen, die in der Oase wuchsen. Er aß, bis er satt war, und legte dann das restliche Obst zum Dörren in die Sonne.
    Ein unterirdischer Fluss speiste die Oase, und in einer Zeit, die so lange zurücklag, dass niemand sich daran erinnern
konnte, hatten Menschen den Sand weggeräumt und den darunter liegenden Fels aufgebrochen, bis man an das fließende Wasser gelangte. Arlen stieg die steinerne Treppe hinunter, die in eine kühle, tief in den Boden eingehauene Kammer führte, nahm die dort aufbewahrten Netze und warf sie ins Wasser. Zu seiner Zufriedenheit fing er eine ganze Menge Fische. Ein paar der besten behielt er sich zurück, die übrigen säuberte er, bestreute sie mit Salz und verteilte sie neben dem Obst, damit die Sonne sie dörren konnte.
    Aus dem Ausrüstungslager der Oase holte er sich dann einen langen, an der Spitze gegabelten Stock; eine Weile stöberte er bei den Steinen herum, bis er endlich verräterische Spuren im Sand entdeckte. Nicht lange, und er hatte mit der Gabel eine Schlange am Boden festgeklemmt; geschickt packte er sie beim Schwanz und schnellte das Tier wie eine Peitschenschnur durch die Luft, um es zu töten. Wahrscheinlich befand sich in der Nähe ein Nest voller Eier, aber er suchte nicht danach. Es wäre unehrenhaft, die natürlichen Reserven der Oase mehr als unbedingt notwendig zu plündern. Und wieder behielt er nur einen Teil der Schlange zum eigenen Verzehr, und legte den Rest zum Trocknen aus.
    Aus einer Nische, die in einen der wuchtigen Sandsteine geschlagen war, den viele Kuriere mit ihren Siegeln markiert hatten, holte Arlen einen Vorrat aus harten, gedörrten Früchten, Fischen und Fleisch; mit diesem Proviant, den der letzte hier kampierende Kurier angelegt hatte, füllte er seine Satteltaschen. Sobald seine eigene Ernte getrocknet war, würde er sie in der Nische einlagern, damit der nächste in der Oase Schutz suchende Kurier sich bedienen konnte.
    Es war unmöglich, die Wüste zu durchqueren, ohne in der Oase der Morgendämmerung eine Rast einzulegen. Von dort aus lag die nächste Wasserstelle über einhundert Meilen entfernt,
deshalb war die Oase das Ziel eines jeden Wüstenreisenden, egal, aus welcher Richtung er kam. Meistens handelte es sich um Kuriere, die sich natürlich auf das Anfertigen von Schutzsiegeln verstanden, und im Laufe der Jahre hatte diese exklusive Gesellschaft sich auf dem hier massenhaft vorkommenden Sandstein verewigt. Dutzende von Namen waren in den Stein eingeritzt, manche nur in schlichten, nachlässig hingekratzten Lettern, andere stellten Meisterwerke der Kalligraphie dar. Viele Kuriere fügten ihrem Namen noch andere Informationen hinzu, beispielsweise taten sie kund, welche Städte sie besucht hatten oder wie oft sie bereits in der Oase der Morgendämmerung Rast gemacht hatten.
    Arlen, der die Oase nun schon zum elften Mal ansteuerte, hatte längst aufgehört, seinen Namen sowie die der Städte und Dörfer, die er bereist hatte, in den Stein zu kerben; doch er entdeckte und erforschte ständig untergegangene, in Vergessenheit geratene Stätten, und konnte immer einen neuen Ort hinzufügen. Langsam, in

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