Das Lied der Dunkelheit
Krieger wertvoll, auch wenn er ein khaffit ist.« Abban verbeugte sich, schaute jedoch skeptisch drein.
Sie steuerten auf die unweit des Palastes gelegenen Exerzierplätze zu. Das Stadtzentrum galt als neutrales Territorium für alle Stämme, dort versammelten sie sich zum Gebet und um sich auf den alagai’sharak vorzubereiten.
Es war spät am Nachmittag, und im Lager herrschte emsige Betriebsamkeit. Zuerst kamen Arlen und Abban an den Werkstätten der Waffenschmiede und Bannzeichner vorbei, die einzigen Handwerksberufe, die man eines dal’Sharum für würdig erachtete. Dahinter erstreckten sich die freien Flächen, auf denen Ausbilder herumbrüllten und Männer trainierten.
Am anderen Ende lag der Palast des Sharum Ka und seiner Leutnants, der kai’Sharum . Dieser große, von einer Kuppel überspannte Bau wurde nur noch von dem gewaltigen Palast des Andrah übertroffen; hier wohnten die am meisten geehrten Männer, Krieger, die ihren Mut immer und immer wieder auf dem Schlachtfeld bewiesen hatten. Unter dem Palast existierte
angeblich ein großer Harem, wo sie ihr tapferes Blut an künftige Generationen weitergeben konnten.
Als Abban mit seiner Krücke vorbeihumpelte, ernteten sie böse Blicke und gemurmelte Flüche, doch keiner wagte es, sich ihnen in den Weg zu stellen. Abban stand unter dem Schutz des Sharum Ka .
Sie passierten Reihen von Männern, die sich im Gebrauch von Speeren übten, während sie dicht hintereinander her marschierten, andere trainierten die brutalen, mörderischen Schläge und Stöße der Krasianischen Nahkampftechnik sharusahk . Krieger veranstalteten Zielübungen mit ihren Waffen oder warfen Netze auf vorbeilaufende Speerjungen, die für den Kampf in der kommenden Nacht ihre Wendigkeit vervollkommnen wollten. Mitten in diesem Gewühl stand ein prächtiger Pavillon, in dem sie Jardir dabei antrafen, wie er mit einem seiner Männer über Schlachtplänen brütete.
Ahmann asu Hoshkamin am’Jardir war der Sharum Ka von Krasia, ein Titel, den man als »Erster Krieger« ins Thesanische übersetzte. Er war hoch gewachsen, über sechs Fuß groß, trug schwarze Gewänder und einen weißen Turban. Arlen verstand nicht recht, wieso dieser Titel auch einen religiösen Rang bezeichnete, den der Turban symbolisierte.
Seine Haut besaß die Tönung von dunklem Kupfer und die Augen waren genauso schwarz wie sein Haar, das durch Öl aus der Stirn gehalten wurde und im Nacken lang herunterhing. Der zu zwei Zipfeln gegabelte schwarze Bart war tadellos getrimmt, doch nichts an diesem Mann wirkte verweichlicht. Er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit und Sicherheit eines Raubtiers, und unter den aufgerollten weiten Ärmeln seines Gewandes zeigten sich harte, muskulöse und mit Narben übersäte Arme. Er war nicht viel älter als Anfang dreißig.
Einer der Pavillonwächter erblicke Arlen und Abban, als sie näher kamen, und beugte sich vor, um etwas in Jardirs Ohr zu flüstern. Der Erste Krieger wandte sich von der mit Kreide bekritzelten Schiefertafel ab, die er gerade studierte.
»Par’chin!«, rief er, breitete lächelnd die Arme aus und erhob sich, um ihnen entgegenzugehen. »Willkommen zurück im Wüstenspeer!« Er sprach Thesanisch, und seit Arlens letztem Besuch hatten sich sein Wortschatz sowie die Aussprache bedeutend verbessert. In einer herzlichen Geste umarmte er Arlen und küsste seine Wangen. »Ich wusste nicht, dass du wieder hier bist. Heute Nacht werden die alagai vor Angst zittern.«
Bei seinem ersten Aufenthalt in Krasia hatte der Erste Krieger sich nur für Arlen interessiert, weil er ihn als ein Kuriosum betrachtete; doch seitdem hatten sie Seite an Seite im Labyrinth gekämpft und füreinander ihr Blut vergossen, und das war das Einzige, was in Krasia zählte.
Jardir richtete nun das Wort an Abban: »Was hast du hier zu suchen? Was mischst du dich unter Männer, khaffit ?«, fragte er angewidert. »Ich habe dich nicht herbestellt!«
»Er begleitet mich«, warf Arlen ein.
»Jetzt nicht mehr«, verbesserte Jardir mit Nachdruck. Abban machte eine tiefe Verbeugung und verdrückte sich, so schnell es sein lahmes Bein erlaubte.
»Ich weiß wirklich nicht, warum du deine Zeit mit diesem khaffit vergeudest, Par’chin «, knurrte Jardir.
»Wo ich herkomme, ist nicht nur der Mann etwas wert, der zum Speer greift«, entgegnete Arlen.
Jardir lachte. »Wo du herkommst, Par’chin , greift überhaupt niemand zum Speer!«
»Dein Thesanisch hat sich sehr verbessert«, bemerkte
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