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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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den tieferen Schichten sind weiter von Everams Antlitz entfernt und sollen als Erste getötet werden.«
    Die dama brüllten sich nun gegenseitig an, und die dal’Sharum der beiden Parteien umklammerten wütend ihre Speere, bereit, ihre Anführer zu verteidigen.
    »Sie geraten darüber in Streit, welche Dämonen man zuerst umbringen soll?«, staunte Arlen.
    Abban spuckte in den Staub. »Die Kaji würden noch aus viel geringerem Anlass mit den Majah kämpfen, Par’chin .«
    »Aber nach Sonnenuntergang haben sie es mit genug echten Feinden zu tun, gegen die sie sich wehren müssen!«, protestierte Arlen.
    Abban nickte. »Gewiss. Und ist die Sonne erst einmal untergegangen, kämpfen die Kaji und die Majah vereint, Seite an Seite. Bei uns gibt es ein Sprichwort, das lautet: ›In der Nacht wird der Feind mein Bruder.‹ Aber bis zum Einbruch der Dunkelheit dauert es noch ein paar Stunden.«
    Einer der dal’Sharum vom Stamm der Kaji schlug einem Majah-Krieger das stumpfe Ende seines Speers ins Gesicht und warf den Mann um. Innerhalb weniger Sekunden waren sämtliche Krieger beider Parteien in heftige Kämpfe verwickelt. Ihre dama standen daneben, ohne sich um den Gewaltausbruch zu kümmern oder sich daran zu beteiligen und fuhren fort, sich anzuschreien.
    »Warum wird so etwas geduldet?«, fragte Arlen. »Kann der Andrah das nicht verbieten?«

    Abban schüttelte verneinend den Kopf. »Der Andrah gehört offiziell allen Stämmen an und keinem, doch in Wirklichkeit wird er immer für den Stamm Partei ergreifen, in dem er aufwuchs. Und selbst wenn er neutral bliebe, würde selbst er es nicht schaffen, jede Blutfehde in Krasia zu beenden. Man kann es Männern nicht verbieten, sich wie Männer aufzuführen.«
    »Sie benehmen sich eher wie Kinder«, meinte Arlen.
    »Die dal’Sharum kennen nur den Speer, und die dama kennen nur den Evejah«, pflichtete Abban ihm traurig bei.
    Die Männer verzichteten darauf, die Spitzen ihrer Speere einzusetzen, aber dennoch uferte die Gewalt rasch aus. Wenn sich niemand ein Herz fasste und einschritt, würde es bestimmt Tote geben.
    »Misch dich nicht ein«, warnte Abban und hielt Arlen am Arm fest, als der losmarschieren wollte.
    Arlen wandte sich an seinen Freund, um zu widersprechen, doch Abban spähte über seine Schulter, schnappte nach Luft und sank auf ein Knie nieder. Er zerrte an Arlens Arm und bedeutete ihm, er möge sich gleichfalls hinknien.
    »Fall auf die Knie, wenn du mit heiler Haut davonkommen willst«, zischte er.
    Arlen blickte sich um und entdeckte den Grund für Abbans Furcht. Eine Frau kam die Straße entlang, völlig in heilige weiße Gewänder gehüllt. »Dama’ting«, murmelte er. Die mysteriösen Kräutersammlerinnen von Krasia bekam man nur selten zu sehen.
    Als sie vorbeiging, schlug er die Augen nieder, sank jedoch nicht auf die Knie. Es spielte keine Rolle; die Frau beachtete weder ihn noch Abban, sondern schritt in friedvoller Gelassenheit auf das Chaos zu, unbemerkt, bis sie die ineinander verkeilten Gruppen fast erreicht hatte. Die dama wurden blass, als sie sie sahen und brüllten ihren Männern etwas zu. Sofort hörten
diese auf zu kämpfen und stolperten über ihre eigenen Beine in dem Bestreben, den Weg für die dama’ting frei zu machen. Hinter ihr verzogen sich die Krieger und die dama in aller Eile, und der Verkehr auf der Straße ging weiter, als sei nichts Besonderes geschehen.
    »Bist du besonders mutig, Par’chin , oder bist du verrückt?«, erkundigte sich Abban, nachdem die dama’ting an ihnen vorbeimarschiert war.
    »Seit wann knien Männer vor Frauen?«, fragte Arlen verdutzt.
    »Männer knien nicht vor einer dama’ting , das tun nur khaffit und chin , wenn sie klug sind«, erklärte Abban. »Sogar die dama und die dal’Sharum fürchten sie. Es heißt, sie könnten in die Zukunft sehen und wissen, welche Männer die Nacht überleben und welche sterben werden.«
    Arlen zuckte die Achseln. »Ja, und?«, entgegnete er, ohne aus seiner Skepsis einen Hehl zu machen. Bevor er das erste Mal bei Nacht ins Labyrinth gegangen war um zu kämpfen, hatte eine dama’ting ihm die Zukunft vorhergesagt, aber nach diesem Erlebnis war er nicht davon überzeugt gewesen, dass sie tatsächlich Weissagungen treffen konnte.
    »Wer eine dama’ting beleidigt, der fordert das Schicksal heraus«, betonte Abban, als hielte er Arlen für einen Narren.
    Arlen schüttelte den Kopf. »Wir sind für unser Schicksal selbst verantwortlich«, entgegnete er. »Selbst wenn

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