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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Wörtlich übersetzt bedeutete Sharik Hora »Gebeine der Helden«, und dieses Bauwerk legte Zeugnis davon ab, wozu die Menschheit imstande war; ein gigantischeres Gebäude hatte Arlen noch nirgendwo gesehen. Verglichen damit war die Bibliothek des Herzogs in Miln geradezu winzig.
    Aber der Sharik Hora stellte nicht nur aufgrund seiner Ausmaße etwas Besonderes dar. Der Tempel galt als ein Symbol für Tapferkeit und Tod, denn er war geschmückt mit den ausgebleichten Knochen eines jeden Kriegers, der im alagai’sharak gestorben war. Die Gebeine hingen an den Stützpfeilern und umrahmten die Fenster. Der große Altar bestand gänzlich aus Schädeln, die Bankreihen waren aus Beinknochen gebaut. Der Trinkkelch, aus dem die Andächtigen Wasser nippten, war eine Hirnschale, die in zwei skelettierten Händen ruhte; auf zwei Füßen stehende Unterarmknochen bildeten den Stiel. Jeder der wuchtigen Kronleuchter war aus Dutzenden von Schädeln und Hunderten von Rippen angefertigt, und die große, zweihundert Fuß über allem schwebende Deckenkuppel wurde gänzlich ausgefüllt von Schädeln; sie stammten von den Ahnen der Krasianischen Krieger, blickten gestreng auf die Versammlung herab, richteten über das Tun ihrer Nachfahren und forderten sie zu einem ehrenvollen Handeln auf.
    Einmal hatte Arlen auszurechnen versucht, wie viele tote Krieger diesen Tempel zierten, doch die Aufgabe war nicht zu bewältigen. Die Einwohnerschaft sämtlicher Städte und Dörfer
in Thesa umfasste vielleicht zweihundertundfünfzigtausend Seelen, doch das war nur ein Bruchteil der Anzahl von Toten, deren Gebeine im Sharik Hora aufbewahrt wurden. Einst mussten die Krasianer ein großes Volk gewesen sein.
    Nun jedoch passten alle Krasianischen Krieger, es mochten an die viertausend sein, in den Tempel hinein, und es blieb noch viel Platz übrig. Zweimal am Tag versammelten sie sich dort, bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, um Everam zu huldigen; morgens, um ihm zu danken, wenn sie in der vergangenen Nacht Horclinge getötet hatten, und am Abend, um ihn zu bitten, ihnen Kraft für den bevorstehenden Kampf zu verleihen. Vor allen Dingen beteten sie für eine Rückkehr des Shar’Dama Ka , damit dieser den Sharak Ka begänne. Jeder einzelne der Krieger war bereit, ihm selbst bis in den Horc hinein zu folgen.

    Vom Wüstenwind herbeigetragene Schreie erreichten Arlen, der voller Anspannung in einem Hinterhalt darauf lauerte, dass die Horclinge erschienen. Die Krieger an seiner Seite scharrten ungeduldig mit den Füßen und beteten zu Everam. Irgendwo im Labyrinth hatte der alagai’sharak bereits begonnen.
    Sie hörten den Lärm, als die Krieger vom Stamm der Mehnding, die auf den Stadtmauern Position bezogen hatten, die Waffen luden und wuchtige Steine und riesige Speere in die Reihen der Dämonen schleuderten. Ein paar Geschosse trafen Sanddämonen und töteten sie oder verletzten sie so schwer, dass ihre Artgenossen sich auf sie stürzten und sie zerrissen; doch im Grunde diente dieser Angriff dazu, die Horclinge zu reizen und in eine blinde Raserei zu versetzen. Dämonen gerieten
schnell in Rage, und beim Anblick von Beute konnte man sie dann so leicht lenken wie eine Schafherde.
    Als die Horclinge vor Zorn kochten, schwangen die Flügel des äußeren Stadttors auf, und in dem Netz aus Siegeln entstand eine Lücke. Sanddämonen und Flammendämonen stürmten hindurch, während Winddämonen über sie hinwegsegelten. Normalerweise ließ man ein paar Dutzend der Bestien hinein, ehe man das Tor wieder schloss und das Netz wieder intakt war.
    Hinter dem Portal standen Krieger bereit und trommelten mit Speeren auf ihre Schilde. Diese Männer, die Anlocker genannt wurden, waren zumeist schon alt und schwach, im Notfall konnte man sie opfern, doch ihr Ehrgefühl kannte keine Grenzen. Unter lautem Gebrüll und Gejohle zerstreuten sie sich beim Ansturm der Horclinge, schwärmten in einem vorher eingeübten Muster aus, um das Dämonenrudel zu zersplittern und es tiefer in das Labyrinth hineinzulocken.
    Aufpasser, die auf den Wällen des Labyrinths standen und nach Winddämonen Ausschau hielten, holten die Bestien mit Bolas und beschwerten Netzen aus der Luft. Sowie die Horclinge zu Boden fielen, flitzten Pfähler aus winzigen, durch Siegel geschützten Nischen, um sie einzufangen, ehe sie sich befreien konnten; mit Ketten banden sie die Füße der Dämonen an Pfähle, die sie dann in den Boden trieben und somit verhinderten, dass sie in den Horc

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