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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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nach Luft. Gleich würde die Sonne untergehen. Doch er protestierte nicht, sondern flitzte zu der verschobenen Stelle hin und korrigierte hastig den Schaden, wobei er ängstlich den Horizont beobachtete.
    Keinen Moment zu früh war er mit der Arbeit fertig. Noch während er die Schnur glättete, stiegen die Horclinge aus dem Boden. Er prallte zurück, als der erste Dämon ihn ansprang und schrie, als die Siegel aufflackerten.
    »Verdammt sollscht du schein!«, brüllte Arrick einen Dämon an, der sich auf ihn stürzte. In seinem Suff reckte der Jongleur trotzig das Kinn vor und kicherte, während der Horcling sich gegen das Netz warf.
    »Meister, bitte!«, flehte Rojer, packte Arrick beim Arm und wollte ihn in die Mitte des Kreises zerren.
    »Oh, Achtfinger weisch mal wieder allesch bescher, wasch?«, höhnte der, riss sich los und wäre dabei fast über seine eigenen Beine gestolpert. »Der arme, beschoffene Arrick Honigschtimme
kann schich wohl nischt vor den Krallen der Dämonen schütschen, wie?«
    »So war das nicht gemeint!«, widersprach Rojer.
    »Wasch hascht du denn gemeint?«, wollte Arrick wissen. »Glaubscht du, nur weil dasch Publikum deinen Namen ruft, könntescht du ohne mich auschkommen?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, beteuerte Rojer.
    »Da hascht du aber verdammt Recht!«, lallte Arrick, setzte wieder den Weinschlauch an die Lippen und taumelte weiter.
    Rojers Kehle schnürte sich vor Angst zusammen, und er fischte den Talisman aus der geheimen Tasche. Mit dem Daumen rieb er über das glatte Holz und das seidige Haar und versuchte, den Schutz des Talismans heraufzubeschwören.
    »Dasch isch rischtisch, ruf du nur nach deiner Mam!«, grölte Arrick, machte kehrt und zeigte auf die kleine Puppe. »Vergisch niemalsch, wer dich groschgezschogen und dir allesch beigebracht hat, wasch du weischt! Ich hab mein Leben für dich geopfert!«
    Rojer drückte den Talisman fester, spürte die Gegenwart seiner Mutter und hörte ihre letzten Worte. Wieder erinnerte er sich, wie Arrick sie zu Boden gestoßen hatte, und vor Wut bildete sich ein Kloß in seiner Kehle. »Das stimmt nicht!«, entgegnete er. »Du warst der Einzige, der sein Leben nicht für mich geopfert hat!«
    Arrick zog ein wütendes Gesicht und wankte auf den Jungen zu. Rojer zog sich zurück, doch der Zirkel war klein, und es gab keine Ausweichmöglichkeit. Draußen vor dem Kreis lauerten gierig die Dämonen.
    »Gib dasch her!«, forderte Arrick aufgebracht und griff nach Rojers Händen.
    »Das gehört mir!«, schrie Rojer. Einen Moment lang rangen sie miteinander, aber Arrick war größer und stärker als der
Junge und besaß zwei gesunde Hände. Schließlich entriss er ihm den Talisman und schleuderte ihn ins Feuer.
    »Nein!«, heulte Rojer und sprang auf das Feuer zu, doch es war zu spät. Das rote Haar entzündete sich sofort, und ehe er einen Ast suchen und den Talisman herausangeln konnte, fing das Holz Feuer. Rojer kniete im Dreck und sah in fassungslosem Entsetzen zu, wie das einzige Erinnerungsstück an seine Mutter verbrannte. Seine Hände fingen an zu zittern.
    Arrick beachtete ihn nicht, sondern stolperte zu einem Baumdämon hin, der am Rand des Kreises kauerte und mit den Krallen die Symboltafeln bearbeitete. »Esch isch deine Schuld, dasch mir scho wasch paschiert ist!«, quäkte er. »Deine Schuld, dasch ich einen undankbaren Bengel aufgehalscht bekam und meine Karriere kaputtging! Deine Schuld!«
    Der Horcling kreischte und entblößte seine rasiermesserscharfen Zähne. Arrick brüllte zurück und schmetterte der Kreatur seinen Weinschlauch über den Kopf. Der Schlauch platzte und besudelte beide mit blutrotem Wein und Fetzen aus gegerbtem Leder.
    »Mein Wein!«, jammerte Arrick, dem plötzlich aufging, was er getan hatte. Er wollte aus dem Zirkel herauslaufen, als gäbe es noch etwas zu retten.
    »Meister, nein!«, schrie Rojer. Er machte einen Hechtsprung, hob seine gesunde Hand, um nach dem schütteren Pferdeschwanz seines Meisters zu greifen, und trat ihm gleichzeitig in die Kniekehlen. Arrick wurde nach hinten gerissen und landete schwer auf seinem Lehrling.
    »Fasch mich nich an!«, grölte Arrick, der gar nicht begriff, dass Rojer ihm gerade das Leben gerettet hatte. Als er sich auf die Füße rappelte, packte er Rojers Hemd und schubste ihn aus dem Zirkel.

    In diesem Moment erstarrten sowohl der Mensch als auch der Horcling. Auf Arricks Zügen malte sich die Erkenntnis ab, dass er etwas Ungeheuerliches getan hatte,

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