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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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während der Baumdämon triumphierend kreischte und sich auf den Jungen stürzte.
    Rojer schrie und prallte zurück; es war ausgeschlossen, dass er rechtzeitig in den Kreis zurückkäme. In dem hilflosen Versuch, die Kreatur abzuwehren, hob er die Hände, doch ehe der Horcling zuschlagen konnte, ertönte ein lautes Gebrüll; Arrick stürmte heran und fegte den Horcling beiseite.
    »Lauf in den Zirkel zurück!«, schrie Arrick, der schlagartig nüchtern geworden war. Der Dämon fauchte wütend und verpasste dem Jongleur einen so wuchtigen Hieb, dass er durch die Luft flog. Beim Aufprall auf dem Boden federte er noch einmal zurück und eine seiner wild rudernden Gliedmaßen verfing sich in der Schnur des Zirkels und brachte die Symboltafeln durcheinander.
    Von der ganzen Lichtung hetzten andere Horclinge herbei, um sich durch die so entstandene Lücke zu zwängen. Jetzt war es um sie beide geschehen, schoss es Rojer durch den Kopf, er und Arrick würden sterben. Der erste Dämon wollte auf ihn zustürmen, aber wieder griff Arrick ein und schleuderte ihn zur Seite.
    »Deine Fiedel!«, schrie er. »Du kannst sie zurücktreiben!« Doch kaum waren die Worte über seine Lippen gekommen, da gruben sich die Krallen des Horclings tief in seine Brust, und aus seinem Mund strömte ein Blutschwall.
    »Meister!«, kreischte Rojer. Zweifelnd blickte er auf seine Fiedel.
    »Rette dich!«, keuchte Arrick noch, bevor der Dämon ihm die Kehle durchbiss.

    Als die Morgendämmerung die Dämonen in den Horc zurückscheuchte, waren die Finger von Rojers gesunder Hand zerschnitten und bluteten. Es kostete ihn große Mühe, sie wieder zu strecken und die Fiedel abzusetzen.
    Die ganze Nacht lang hatte er gespielt, in der Dunkelheit kauernd, nachdem das Feuer erloschen war, und hatte misstönende Klänge erzeugt, um die Horclinge in Schach zu halten, die in der Finsternis auf ihn lauerten.
    Er hatte keine schönen Melodien gespielt, nichts, woran er sich erfreuen konnte, sondern nur hässliche, kratzende Geräusche in die Luft geschickt. Es gab kein Lied, in das er sich hätte vertiefen können, das ihn abgelenkt hätte von den Schrecknissen, die ihn umgaben. Als er nun hochblickte und die über den Boden verstreuten Fleischstücke und blutigen Stofffetzen sah, die die Überreste seines Meisters darstellten, packte ihn wieder das kalte Grausen, und er fiel auf die Knie und erbrach sich.
    Nach einer Weile ließ das Würgen nach, und er starrte auf seine verkrampften und blutenden Hände; er bot alle Willenskraft auf, damit sie aufhörten zu zittern. Ihm war heiß, als würde er innerlich verbrennen, aber sein Gesicht fühlte sich in der Morgenluft kalt an, als sei alles Blut daraus gewichen. Der Brechreiz quälte ihn immer noch, doch in seinem Magen befand sich nichts mehr, was er hätte auswürgen können. Er wischte sich den Mund mit einem buntscheckigen Ärmel ab und zwang sich, aufzustehen.
    Er versuchte, das, was von Arrick übrig geblieben war, zu begraben, aber er fand kaum etwas. Ein Haarbüschel. Einen Stiefel, der aufgerissen war, um an das Fleisch darin zu gelangen. Blut. Horclinge verschmähten weder Knochen noch Innereien, und sie hatten in ungezügelter Gier gefressen.
    Die Fürsorger lehrten, dass die Horclinge sowohl die Körper als auch die Seelen ihrer Opfer verspeisten, aber Arrick hatte
stets behauptet, die Heiligen Männer seien noch größere Lügner als Jongleure, und sein Meister konnte flunkern, dass sich die Balken bogen. Rojer dachte an seinen Talisman, der ihm immer das Gefühl vermittelt hatte, der Geist seiner Mutter sei bei ihm und würde ihn beschützen. Wie konnte er so etwas fühlen, wenn die Horclinge ihre Seele verschlungen hatten?
    Er betrachtete die kalte Asche des Lagerfeuers und entdeckte die kleine Puppe, schwarz angekokelt und geborsten. Aber als er sie herausziehen wollte, zerbröckelte sie in seinen Händen. Nicht weit entfernt lagen die Überreste von Arricks Pferdeschwanz im Dreck. Rojer sammelte die Haare auf, die jetzt mehr graue als goldblonde Strähnen aufwiesen, und steckte sie in seine Tasche.
    Er würde sich einen neuen Talisman anfertigen.

    Sehr zu Rojers Erleichterung kam das Dorf Waldrand eine gute Weile vor der Abenddämmerung in Sicht. Er glaubte nicht, dass er die Kraft aufgebracht hätte, noch eine Nacht draußen zu kampieren.
    Er hatte mit dem Gedanken gespielt, nach Kricketlauf zurückzukehren und einen Kurier zu bitten, ihn wieder nach Angiers mitzunehmen, aber dann hätte er

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