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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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haben.«
    »Eher glaube ich, dass er ein halber Dämon ist«, entgegnete Leesha, aber sie klang alles andere als überzeugt.
    In unbehaglichem Schweigen marschierten sie weiter. Noch einen Tag zuvor hatte Rojer Leesha keinen Moment in Ruhe gelassen und ständig versucht, sie mit seinen Geschichten und seiner Musik zu beeindrucken, nun jedoch hielt er den Blick gesenkt und brütete finster vor sich hin. Leesha wusste, dass er litt, und einerseits hätte sie ihn gern getröstet, andererseits jedoch brauchte sie selbst Trost. Sie konnte ihm nicht helfen, dazu war sie selbst zu ausgelaugt.
    Kurz darauf kehrte der Tätowierte Mann zu ihnen zurück. »Ihr lauft zu langsam«, erklärte er und stieg vom Pferd. »Wenn wir uns eine vierte Nacht auf der Straße ersparen wollen, müssen wir heute mindestens dreißig Meilen zurücklegen. Ihr zwei werdet reiten, und ich renne neben euch her.«
    »Du solltest nicht rennen«, warnte Leesha. »Die Naht an deinem Oberschenkel könnte aufplatzen.«
    »Die Wunden sind schon verheilt«, wehrte der Mann ab. »Ich brauchte nur eine Nacht, um mich auszuruhen.«
    »Blödsinn!«, schimpfte Leesha. »Die Verletzung am Oberschenkel war einen Zoll tief.« Wie um ihre Behauptung zu beweisen,
ging sie zu ihm, kniete nieder, hob das locker sitzende Gewand an und entblößte sein muskulöses, tätowiertes Bein.
    Doch als sie den Verband abnahm, um die Wunde zu prüfen, riss sie überrascht die Augen auf. Frisches, rosafarbenes Fleisch war bereits nachgewachsen und hatte den Schnitt geschlossen; ihre Nähte steckten in völlig gesunder Haut.
    »Das ist unmöglich!«, wunderte sie sich.
    »Es war nur ein Kratzer«, wiegelte der Mann ab, schob eine gefährlich aussehende Klinge durch die Stiche und entfernte die Fäden. Leesha klappte den Mund auf, aber der Mann ging einfach zu seinem Pferd zurück, nahm die Zügel und hielt sie ihr hin.
    »Danke«, sagte sie wie benommen und griff nach den Zügeln. In einem einzigen Augenblick war alles, was sie über das Verheilen von Wunden wusste, in Frage gestellt worden. Wer war dieser Mann? Was war er?
    Im leichten Galopp sprengte Schattentänzer über die Straße, und mit ausgreifenden, unermüdlichen Schritten rannte der Tätowierte Mann neben dem Pferd her; es fiel ihm nicht schwer sich dem Tempo anzupassen, während die Meilen unter seinen tätowierten Füßen dahinzuschmelzen schienen. Wenn sie eine Rast einlegten, dann taten sie es auf Rojers und Leeshas Wunsch hin, und nicht, weil seine Kräfte erlahmten. Leesha beobachtete ihn verstohlen, suchte nach Anzeichen von Erschöpfung, aber sie entdeckte keine. Endlich schlugen sie ihr Lager auf; der Mann schien keine Spur außer Atem zu sein, als er sein Pferd fütterte und tränkte, während Leesha und Rojer stöhnten und sich die schmerzenden Körperstellen massierten.
    Am Lagerfeuer herrschte eine beklommene Stille. Es war längst dunkel geworden, doch der Tätowierte Mann spazierte unbefangen durch das Lager, sammelte Feuerholz, nahm Schattentänzer das Zaumzeug ab und fing an, den mächtigen Hengst
zu striegeln. Er marschierte zwischen dem Zirkel des Pferdes und ihrem eigenen Kreis hin und her, ohne sich Gedanken über die lauernden Baumdämonen zu machen. Einer sprang ihn aus der Deckung eines Gestrüpps an, doch er nahm gar keine Notiz von ihm, als er kaum einen Zoll von seinem Rücken entfernt gegen die Siegel prallte.
    Während Leesha sich um das Abendessen kümmerte, hoppelte Rojer krummbeinig im Zirkel herum und versuchte, seine Muskeln, die sich nach diesem langen, scharfen Ritt verkrampft hatten, durch Bewegung wieder geschmeidig zu machen.
    »Ich glaube, bei dem ganzen Auf- und Abgehopse habe ich mir die Eier gequetscht«, stöhnte er.
    »Wenn du willst, sehe ich sie mir mal an«, erbot sich Leesha. Der Tätowierte Mann prustete durch die Nase.
    Rojer setzte eine wehleidige Miene auf. »Es wird schon gehen«, meinte er und humpelte weiter. Gleich darauf blieb er abrupt stehen und starrte die Straße hinunter.
    Auch Leesha und der Tätowierte Mann blickten hoch. Sie sahen das unheimliche orangefarbene Glühen, das von dem Maul und den Augen des Flammendämons abstrahlte, noch ehe der Horcling in Sicht kam, der kreischend und auf allen vieren heranhetzte.
    »Wie kommt es, dass die Flammendämonen nicht den ganzen Wald abbrennen?«, wunderte sich Rojer und beobachtete die Spur aus züngelnden Flammen, die der Horcling hinter sich her zog.
    »Das wirst du gleich erfahren«, erwiderte der Tätowierte

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