Das Lied der Dunkelheit
Mann. Rojer fand seinen belustigten Tonfall noch beunruhigender als seine übliche gleichförmige Sprechweise.
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da kündigte ein lautes Geheul die Ankunft eines Rudels Baumdämonen an, die
zu dritt den Flammendämon verfolgten. Einer von ihnen hatte den schlaffen Körper eines Flammendämons im Maul, und schwarzes Blut tropfte auf die Straße.
Der flüchtende Flammendämon war so damit beschäftigt, seinen Verfolgern zu entkommen, dass er die anderen Baumdämonen, die sich im Unterholz am Straßenrand versammelten, erst bemerkte, als einer von ihnen angriff, die überrumpelte Kreatur mit seinen Klauen packte und ihr mit den hinteren Krallen den Bauch aufschlitzte. Der Flammendämon stieß ein entsetzliches Geschrei aus, und Leesha hielt sich die Ohren zu.
»Baumdämonen hassen Flammendämonen«, erklärte der Tätowierte Mann, als es vorbei war; seine Augen glänzten vor Freude über diese Tötung.
»Warum?«, wollte Rojer wissen.
»Weil Baumdämonen durch Dämonenfeuer verletzt werden können«, antwortete Leesha. Der Tätowierte Mann warf ihr einen überraschten Blick zu und nickte.
»Wieso brennen die Flammendämonen sie dann nicht nieder?«, hakte Rojer nach.
Der Tätowierte Mann lachte. »Manchmal geschieht das sogar«, erzählte er, »trotzdem gibt es keinen Flammendämon, der es im Kampf mit einem Baumdämon aufnehmen könnte. Nur Felsendämonen sind ihnen an Kraft überlegen, und im Wald kann man Baumdämonen fast nicht entdecken, so gut sind sie getarnt.«
»Der Große Plan des Schöpfers«, ergänzte Leesha. »Alles muss ausgeglichen sein.«
»Unsinn!«, widersprach der Tätowierte Mann. »Wenn die Flammendämonen alles verbrennen würden, bliebe nichts mehr übrig, was sie jagen könnten. Die Natur hat einen Weg gefunden, das Problem zu lösen.«
»Du glaubst nicht an den Schöpfer?«, fragte Rojer.
»Wir haben schon genug Probleme«, erwiderte der Tätowierte Mann, und seine finstere Miene machte deutlich, dass er dieses Thema nicht weiter verfolgen wollte.
»Es gibt Leute, die halten dich für den Erlöser«, wagte Rojer zu äußern.
Der Tätowierte Mann schnaubte durch die Nase. »Es kommt kein Erlöser, um uns zu retten, Jongleur. Wer die Dämonen aus der Welt schaffen will, der muss sie selbst töten.«
Wie auf ein Stichwort hin prallte ein Winddämon von dem magischen Netz ab, das Schattentänzer schützte, und ein Lichtblitz erhellte die Umgebung. Der Hengst stampfte mit den Hufen, als brenne er darauf, aus dem Zirkel zu springen und in die Schlacht ziehen, aber er blieb an seinem Platz und wartete auf ein Kommando seines Herrn.
»Wieso hat dieses Pferd überhaupt keine Angst?«, fragte Leesha. »Sogar die Kuriere binden ihre Rösser nachts an, damit sie nicht scheuen und weglaufen, aber dein Pferd gebärdet sich, als würde es am liebsten kämpfen.«
»Ich habe Schattentänzer bereits als ganz junges Fohlen trainiert«, erzählte der Tätowierte Mann. »Er war von Anfang an durch Siegel geschützt, deshalb hat er nie gelernt, Horclinge zu fürchten. Sein Vater war das größte, aggressivste Biest, das ich finden konnte, und für seine Mutter gilt dasselbe.«
»Aber als wir ihn ritten, schien er so sanft zu sein«, bemerkte Leesha.
»Ich habe ihm beigebracht, seine Angriffslust nur auf bestimmte Kreaturen zu richten«, erklärte der Tätowierte Mann, und in seiner sonst so emotionslosen Stimme schwang unverkennbar Stolz mit. »Auf Freundlichkeit reagiert er gutmütig, wird er jedoch bedroht, oder versucht jemand, mich zu attackieren, greift er sofort an. Einmal hat er einem Keiler den Kopf zertrümmert, der mich sonst mit Sicherheit getötet hätte.«
Nachdem die Baumdämonen mit den Flammendämonen kurzen Prozess gemacht hatten, fingen sie an, die Zirkel zu umkreisen, und rückten dabei immer näher. Der Tätowierte Mann spannte seinen Bogen und legte sich den Köcher mit den Pfeilen zurecht; Leesha fiel auf, dass die Pfeile mit ungewöhnlich wuchtigen Spitzen bestückt waren. Doch er ignorierte die Kreaturen, die gegen die Barriere schlugen und immer wieder aufs Neue abprallten. Nachdem sie ihr Abendessen beendet hatten, suchte er sich einen unmarkierten Pfeil heraus, nahm ein Schnitzwerkzeug und kerbte in aller Ruhe Siegel in den Schaft.
»Wenn wir nicht hier wären …«, hob Leesha an.
»Dann wäre ich jetzt da draußen«, antwortete der Tätowierte Mann, ohne den Blick zu heben. »Auf der Jagd.«
Leesha nickte und schwieg eine
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