Das Lied der Dunkelheit
musste, um eine Frau zu befriedigen. Glaubte sie, er habe mehr Erfahrung als sie? Verließ sie sich darauf, dass er die Geschicklichkeit, die er beim Kämpfen bewies, auch auf diese Situation übertragen konnte?
Vielleicht stimmte das sogar, denn während sich seine Gedanken überschlugen, reagierte sein Körper wie von selbst, Instinkten gehorchend, die seit Anbeginn der Zeit jedem Lebewesen innewohnen. Denselben Instinkten, die ihn zum Kampf antrieben.
Aber das hier war kein Kampf. Es war etwas völlig anderes.
Ist sie die Richtige für mich? Dieser Gedanke hallte in seinem Kopf nach.
Warum sie und nicht Renna? Wenn er wie die anderen Männer gewesen wäre, wäre er mittlerweile seit fast fünfzehn Jahren verheiratet und Vater einer großen Kinderschar. Nicht zum ersten Mal stellte er sich vor, wie Renna jetzt wohl aussehen mochte, voll zur Frau erblüht, und wie es wohl wäre, sie sein Eigen zu nennen.
Warum Leesha und nicht Mery? Mery, die er geheiratet hätte, wenn sie damit einverstanden gewesen wäre, einen Kurier zum Ehemann zu haben. Aus Liebe zu ihr hätte er sich für immer in Miln niedergelassen, so wie Ragen es getan hatte. Ihm wäre es besser gegangen, wenn er Mery geheiratet hätte. Das hatte er eingesehen. Ragen hatte richtig gehandelt. Ragen hatte Elissa …
Ein Bild von Elissa blitzte in seinen Gedanken auf, als er das Oberteil von Leeshas Kleid herunterzog und ihre üppigen
Brüste entblößte. Er sah wieder Elissa, wie sie eine Brust freilegte, um Marya zu stillen, und damals hatte Arlen sich einen kurzen Moment lang gewünscht, er könne statt des Kindes an der Brustwarze saugen. Hinterher hatte er sich dafür geschämt, doch die Szene hatte er niemals vergessen.
War Leesha die Frau, die das Schicksal für ihn bestimmt hatte? Gab es so etwas überhaupt? Noch vor einer Stunde hätte er über solche Betrachtungen spöttisch gelacht, doch nun blickte er Leesha an, eine wunderschöne, hingebungsvolle Frau, die ihn durchschaute und ihn verstand. Sie würde es ihm nicht übelnehmen, wenn er sich ungeschickt anstellte, nicht wissen würde, wo er sie berühren und wie er sie streicheln sollte. Eine schlammige Wiese im Licht der Vormorgendämmerung war kein geeignetes Hochzeitsbett, aber in diesem Augenblick kam sie ihm schöner vor als die mit Daunen gefüllte Matratze in Ragens Villa.
Dennoch nagten Zweifel an ihm.
Es war allein seine Sache, wenn er sich nachts in Gefahr begab, denn er hatte nichts zu verlieren und niemand würde um ihn trauern. Wenn er starb, würde kein einziges Tränenfläschchen gefüllt werden. Aber konnte er diese Risiken auch dann noch eingehen, wenn Leesha in einem geschützten Zuhause auf ihn wartete? Würde er aufhören zu kämpfen, wenn er bei ihr bliebe? Genauso werden wie sein Vater? Sich so daran gewöhnen, dass man sich vor den Horclingen versteckte, dass er sich nicht mehr behaupten konnte?
Kinder brauchen ihren Vater, hörte er Elissa sagen.
»Und was ist, wenn du schwanger wirst?«, flüsterte er zwischen den Küssen und wusste nicht, welche Antwort er sich wünschte.
»Darauf hoffe ich ja«, wisperte sie zurück.
Sie zog ihn zu sich herunter, drohte, seine ganze Welt aus den Fugen zu bringen, aber sie bot ihm etwas viel Großartigeres, und wie berauscht griff er danach.
Dann drang er in sie ein und fühlte sich vollständig, als sei er an seinem Ziel angekommen.
Eine Zeit lang bestand ihre Welt nur aus dem Pulsieren des Blutes und dem Gefühl von nackter Haut, die über nackte Haut gleitet; sobald beide aufhörten zu denken, bewegten sich ihre Körper in dem uralten Rhythmus, den die Natur selbst vorgab. Sein Gewand lag irgendwo im Dreck. Ihr Kleid hing zerknittert um ihre Taille. Vor Lust stöhnend wanden sie sich im Schlamm, alles vergessend außer ihrem Verlangen.
Bis der Baumdämon angriff.
Angezogen von ihren leidenschaftlichen Lauten hatte sich der Horcling herangepirscht. Er wusste, dass die Morgendämmerung kurz bevorstand und die verhasste Sonne bald aufgehen würde, doch der Anblick von so viel nacktem Fleisch machte ihn hungrig; also setzte er zum Sprung an, um mit heißem Blut an den Krallen und frischem Fleisch zwischen den Zähnen in den Horc zurückzukehren.
Mit voller Kraft schlug der Dämon seine Pranke auf den entblößten Rücken des Tätowierten Mannes. Die dort befindlichen Siegel flackerten auf, schmetterten den Horcling zurück, und die Köpfe der Liebenden prallten zusammen.
Der Baumdämon war unversehrt geblieben und hatte
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