Das Lied der Dunkelheit
nichts von seiner Geschmeidigkeit eingebüßt. Als er auf dem Boden landete, rollte er sich ab und ging sofort wieder zum Angriff über. Leesha schrie, doch der Tätowierte Mann warf sich
herum und packte mit beiden Händen die ausgestreckten Klauen. Den Schwung des Horcling ausnutzend, riss er ihn herum und schleuderte ihn in den Morast.
Dann sprang er hoch und startete einen Gegenangriff, solange die Bestie sich noch nicht wieder aufgerichtet hatte. Dass er nackt war, störte ihn nicht. Seit er seinen Körper tätowiert hatte, kämpfte er nackt.
Er drehte sich einmal im Kreis und rammte dem Horcling seine Ferse gegen den Kiefer. Es blitzte keine Magie auf, da die Siegel vom Schlamm verklebt waren, doch durch die zusätzliche Kraft, die mittlerweile von den Dämonen auf ihn übergegangen war, fiel der Stoß genauso stark aus wie ein Huftritt von Schattentänzer. Der Horcling kippte nach hinten, während der Tätowierte Mann aufschrie und vorpreschte, um dem Dämon keine Gelegenheit zu geben, sich zu erholen.
Mit seiner Größe von annähernd acht Fuß war dieser Baumdämon ein beeindruckendes Exemplar und kräftemäßig dem Tätowierten Mann überlegen. Der boxte, trat und stieß mit den Ellenbogen zu, aber überall klebte der Schlamm, und fast alle seine Siegel waren beeinträchtigt. An dem Panzer des Dämons, der hart und rau war wie Borke, riss er sich die Haut blutig, und seine Schläge zeigten keine dauerhafte Wirkung.
Der Horcling schwenkte herum, und sein peitschender Schwanz traf den Mann in den Magen; die Luft wurde aus seinen Lungen getrieben und er stürzte zu Boden. Leesha fing wieder an zu schreien und lenkte damit die Aufmerksamkeit des Dämons auf sich. Kreischend stürzte er sich auf sie.
Der Tätowierte Mann rannte der Bestie hinterher und bekam sie am Knöchel zu fassen, ehe sie Leesha erreichen konnte. Mit einem festen Ruck zog er an dem Bein, um den Dämon zu Fall zu bringen, und dann kam es im Morast zu einem verzweifelten Ringkampf. Endlich schaffte er es, mit seinen Beinen den
Hals des Horclings zu umklammern und mit aller Kraft zuzudrücken. Mit beiden Händen drehte er ein Bein des Horclings nach hinten, um ihn am Aufstehen zu hindern.
Der Dämon schlug mit seinen Krallen nach ihm, aber der Tätowierte Mann hatte ihn in die Zange genommen und ließ ihn nicht entwischen. Eine geraume Zeit lang wälzten sie sich eng aneinandergepresst am Boden, bis die Sonne endlich über den Horizont stieg und durch eine Lücke in der Wolkendecke blinzelte. Die borkenähnliche Haut des Dämons fing an zu qualmen, und die Kreatur zappelte immer heftiger. Der Tätowierte Mann festigte seinen Griff.
Nur noch wenige Augenblicke …
Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Die Welt um ihn herum schien sich in einen Nebel zu verwandeln, als lösten ihre stofflichen Formen sich auf. Von tief unten spürte er einen Sog, und er und der Dämon versanken langsam im Boden.
In seinem Geist öffnete sich ein Pfad, und der Horc rief ihn.
Abscheu und Entsetzen erfüllten ihn, als der Horcling ihn nach unten zog. Der Dämon hatte immer noch eine feste Gestalt, auch wenn der Rest der Welt sich zu Schatten verflüchtigt hatte. Er blickte hoch und sah, dass die kostbare Sonne allmählich verblasste.
Er klammerte sich an diese Rettungsleine, löste den Beinhebel und zerrte den Dämon wieder nach oben ins Licht. Der Horcling sträubte sich heftig, aber die Panik verlieh dem Tätowierten Mann frische Kräfte, und mit einem stummen, entschlossenen Schrei hievte er die Bestie an die Oberfläche zurück.
Die Sonne wartete auf sie, um sie mit ihrem strahlenden, gesegneten Glanz zu begrüßen, und während die Kreatur in Flammen aufging, merkte der Mann, dass sein Körper sich
wieder verfestigte. In seiner Not scharrte der Dämon mit den Krallen den Boden auf, doch der Tätowierte Mann ließ ihn nicht los.
Als er dann endlich den schwarz verkohlten Stumpf freigab, blutete er am ganzen Körper. Leesha rannte zu ihm, aber immer noch von kaltem Grauen geschüttelt, stieß er sie weg. Was war aus ihm geworden, dass er einen Weg in den Horc hinunter fand? Hatte er sich bereits in einen Horcling verwandelt? Welche Missgeburt würde er mit seinem vergifteten Samen zeugen?
»Du bist verletzt«, wandte sie ein und griff nach ihm.
»Es heilt von selbst«, erwiderte er und zog sich von ihr zurück. Die sanfte, liebevolle Stimme, mit der er erst vor wenigen Minuten zu ihr gesprochen hatte, war wieder in den kalten,
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