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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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und den schlafenden Jongleur ausmachen. Leesha war jedoch nirgendwo zu sehen.
    Es war noch früh, und das fahle Licht der Vormorgendämmerung, das den Sonnenaufgang ankündigt, hing über dem Land. Die meisten Horclinge waren wahrscheinlich schon längst in den Horc zurückgeflüchtet, doch unter einer dichten Wolkendecke konnte man nie sicher sein. Er stand auf und entfernte die Verbände, die Leesha ihm in der letzten Nacht angelegt hatte. Sämtliche Wunden waren verheilt.
    In dem dicken Schlamm ließ sich die Spur der Kräutersammlerin leicht verfolgen; er fand sie ganz in der Nähe, wie sie auf dem Boden kniete und Kräuter pflückte. Ihre Röcke waren bis weit über die Knie hochgezogen, damit sie nicht im Morast schleiften, und beim Anblick ihrer glatten weißen Schenkel
schoss ihm das Blut in die Wangen. In dem sanften Licht vor der Dämmerung sah sie wunderschön aus.
    »Du solltest nicht hier draußen sein«, sprach er sie an. »Noch ist die Sonne nicht aufgegangen. Es könnte gefährlich werden.«
    Leesha sah ihn an und lächelte. »Ausgerechnet du warnst mich vor Gefahr?«, erwiderte sie, eine Augenbraue spöttisch gewölbt. Als er nicht antwortete, fügte sie hinzu: »Und welcher Dämon könnte mir schon etwas antun, wenn du bei mir bist?«
    Der Tätowierte Mann zuckte die Achseln und ging neben ihr in die Hocke. »Bitterkraut?«, fragte er.
    Leesha nickte und hielt eine Pflanze mit derben Blättern und dicken, in Rispen wachsenden Knospen hoch. »Wenn man es in einer Pfeife raucht, erschlaffen die Muskeln und man fühlt sich hochgestimmt. Mit Himmelsblüten vermischt, kann ich daraus einen Schlaftrunk brauen, der sogar einen wütenden Löwen umwirft.«
    »Ob es bei einem Dämon auch wirken würde?«, fragte er.
    Leesha runzelte die Stirn. »Kannst du eigentlich an nichts anderes denken?«
    Der Mann blickte gekränkt drein. »Bilde dir nicht ein, du würdest mich kennen«, verteidigte er sich. »Gewiss, ich töte Horclinge, und deshalb habe ich Orte gesehen, an die sich heute kein Mensch mehr erinnert. Soll ich Gedichte aufsagen, die ich aus dem altertümlichen Rusk übersetzt habe, einer Sprache, die längst vergessen ist? Soll ich dir Skizzen von den Wandmalereien zeigen, die ich in Anochs Sonne entdeckt habe? Dir von Maschinen aus der alten Welt erzählen, die die Arbeit von zwanzig Männern verrichten können?«
    Leesha legte eine Hand auf seinen Arm, und er schwieg. »Es tut mir leid. Ich habe kein Recht, dich zu verurteilen. Ich weiß
selbst ein bisschen, welche Last es ist, das Wissen der alten Welt zu hüten.«
    »Du hast mich nicht verletzt.«
    »Trotzdem hätte ich den Mund halten sollen«, entgegnete Leesha. »Aber um auf deine Frage zurückzukommen, ich weiß es wirklich nicht. Horclinge essen und verdauen die Nahrung, deshalb glaube ich, dass man sie mit Drogen betäuben kann. Meine Lehrerin erzählte mir, damals, während der Dämonenkriege, seien viele Kräutersammlerinnen ums Leben gekommen. Ich habe einen kleinen Vorrat von Himmelsblüten. Wenn du möchtest, kann ich den Sud aufbrühen, sobald wir im Tal der Holzfäller sind.«
    Der Tätowierte Mann nickte begeistert. »Könntest du mir noch etwas zusammenbrauen?«
    Leesha seufzte. »Mit dieser Frage hatte ich gerechnet. Meine Antwort lautet nein. Ich werde kein flüssiges Dämonenfeuer für dich herstellen.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil man Männern die Geheimnisse des Feuers nicht anvertrauen kann«, erwiderte Leesha direkt. »Wenn ich es dir verrate, wirst du dieses Wissen benutzen, selbst wenn du dadurch die halbe Welt in Flammen setzt.«
    Darauf gab er ihr keine Antwort.
    »Wozu brauchst du es überhaupt?«, wollte sie wissen. »Du verfügst bereits über Kräfte, die weit über alles hinausgehen, was ein paar Kräuter und Chemikalien dir verschaffen könnten.«
    »Ich bin nur ein Mensch …«, begann er, doch Leesha fiel ihm ins Wort.
    »Dämonenscheiße!«, widersprach sie. »Deine Wunden heilen binnen weniger Minuten, und du kannst den ganzen Tag lang so schnell rennen wie ein Pferd, ohne außer Atem zu kommen.
Du schleuderst Horclinge durch die Gegend, als wären sie kleine Kinder, und im Dunkeln siehst du genauso gut wie am helllichten Tag. Du bist mehr als ›nur ein Mensch‹.«
    Der Tätowierte Mann lächelte. »Vor dir kann man auch gar nichts verbergen.«
    Etwas an der Art, wie er es sagte, sandte einen angenehmen Schauer durch sie. »Warst du schon immer so?«, wollte sie wissen.
    Er schüttelte den Kopf. »Es liegt an

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