Das Lied der Dunkelheit
wirft, zählt das als drei Siegel«, verkündete Beni, nachdem ihr gerade ein solcher Wurf geglückt war. »Wir gewinnen.« Arlen war anderer Meinung, aber er hatte keine Lust, sich deswegen zu streiten.
»Weil wir gewonnen haben, musst du alles tun, was wir dir sagen«, bestimmte Beni.
»Muss ich nicht«, widersprach Arlen.
»Doch, du musst!«, beharrte Beni. Wieder hatte Arlen den Eindruck, dass es ihm nicht viel nützen würde, wenn er sich stur stellte.
»Was verlangt ihr denn von mir?«, erkundigte er sich argwöhnisch.
»Beni, das Bussi-Bussi-Spiel!«, rief Renna und klatschte begeistert in die Hände.
Beni gab ihrer Schwester einen Klaps auf den Kopf. »Natürlich, was denn sonst, du blödes Stück!«
»Was ist das Bussi-Bussi-Spiel?«, fragte Arlen und fürchtete, die Antwort bereits zu kennen.
»Ach, du wirst schon sehen«, versetzte Beni, und beide Mädchen lachten. »Das ist ein Erwachsenenspiel. Papa spielt es manchmal mit Ilain. Man bereitet sich auf das Heiraten vor.«
»Wie soll das gehen? Spricht man vielleicht das Ehegelöbnis?« Arlens Misstrauen wuchs.
»Nein, du Trottel. Warte, ich zeig’s dir«, erwiderte Beni. Sie schlang die Arme um Arlens Schultern und drückte ihren Mund auf seinen.
Arlen hatte noch nie zuvor ein Mädchen geküsst. Beni öffnete den Mund, deshalb tat er das Gleiche. Ihre Zähne stießen klappernd gegeneinander, und beide prallten zurück. »Au!«, schrie Arlen. »Du bist viel zu wild, Beni«, tadelte Renna. »Jetzt bin ich dran.«
Und tatsächlich fühlte sich Rennas Kuss viel sanfter an. Arlen fand es sogar sehr angenehm. Es glich dem Gefühl, wenn man an einem bitterkalten Tag dicht neben dem Feuer saß.
»Siehst du«, triumphierte Renna, als ihre Lippen sich wieder voneinander lösten. »So macht man das.«
»Heute Nacht müssen wir in einem Bett schlafen«, warf Beni ein. »Wir können später noch üben.«
»Es tut mir leid, dass du wegen meiner Mam dein Bett abtreten musstest«, meinte Arlen.
»Das macht nichts«, erwiderte Renna. »Bevor unsere Mam starb, teilten wir uns immer ein Bett. Aber jetzt schläft Ilain bei Papa.«
»Warum?«, wollte Arlen wissen.
»Wir dürfen doch nicht darüber sprechen«, zischte Beni Renna zu.
Renna nahm keine Notiz von ihr, doch sie senkte ihre Stimme. »Ilain sagt, jetzt, wo Mam tot ist, erwartet Papa von ihr, sie zu ersetzen. Sie soll ihn so glücklich machen, wie ein Mann es von seiner Ehefrau erwarten kann.«
»Das heißt, sie muss jetzt kochen, nähen und so’n Zeugs?«, hakte Arlen nach.
»Nein, es ist ähnlich wie das Bussi-Bussi-Spiel«, klärte Beni ihn auf. »Um es zu spielen, braucht man einen Jungen.« Sie zupfte an seiner Hose. »Wenn du uns dein Dingelchen zeigst, bringen wir es dir bei.«
»Ich werde euch nicht mein Dingelchen zeigen!«, rebellierte Arlen und rückte ein Stück von den Mädchen ab.
»Warum denn nicht?«, drängte Renna. »Beni hat Lucik aus Torfhügel beigebracht, wie das Spiel geht, und jetzt kann er gar nicht genug davon kriegen.«
»Papa und Luciks Vater sagen, wir sind einander versprochen«, prahlte Beni. »Deshalb ist es nicht schlimm. Und da du demnächst Renna versprochen wirst, kannst du ihr ruhig dein Dingelchen zeigen.« Renna biss sich auf den Finger und drehte den Kopf zur Seite, aber aus dem Augenwinkel beobachtete sie Arlen.
»Das ist nicht wahr!«, protestierte Arlen. »Ich bin niemandem versprochen.«
»Was glaubst du, worüber sich die Erwachsenen in der Stube unterhalten, Dummerchen?«, spottete Beni.
»Bestimmt nicht über uns beide!«, trumpfte Arlen auf.
»Dann geh doch rein und überzeug dich selbst«, schlug Beni vor.
Arlen sah die beiden Mädchen an, dann kletterte er die Leiter hinunter und schlüpfte so geräuschlos wie möglich ins Haus. Hinter dem Vorhang hörte er Stimmen, und er pirschte näher heran.
»Ich wollte Lucik sofort bei mir aufnehmen«, erklärte Harl gerade, »aber Fernan kann nicht auf ihn verzichten, er soll noch eine Saison lang Maische machen. Ohne zusätzliche Hilfe ist der Hof nur schwer zu bewirtschaften. Von dem Ertrag, den er abwirft, kann man kaum satt werden. Zu allem Überfluss haben auch noch die Hennen aufgehört, Eier zu legen, und eine der Kühe gibt saure Milch.«
»Wenn wir von der alten Mey zurückkommen, nehmen wir Renna mit«, versprach Jeph.
»Wirst du ihm sagen, dass die zwei jetzt einander versprochen sind?«, fragte Harl. Arlen hielt den Atem an. »Ich sehe keinen Grund, es ihm zu verschweigen«,
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