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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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schnappte sich Brunas Stock, mit dem die Alte Stefny immer noch am Boden festnagelte. »Nimm dir nicht zu viel heraus, Bruna! Auch wenn du die Kräutersammlerin bist, kannst du nicht einfach mit deinem Stock auf die Leute losgehen.«
    »Ach, aber deine Frau darf Menschen verurteilen, die gar nichts verbrochen haben? Misst du etwa mit zweierlei Maß?«, schnauzte Bruna. Sie riss ihm den Stock aus den Händen und schlug ihm damit auf den Kopf.
    Smitt taumelte nach hinten und rieb sich den Schädel. »Schon gut, schon gut«, wiegelte er ab. »Ich möchte nur helfen.«
    Genau das pflegte Smitt immer zu sagen, kurz bevor er seine Ärmel hochkrempelte und jemanden mit roher Gewalt aus seiner Taverne warf. Er war kein groß gewachsener Mann, aber in seiner vierschrötigen Gestalt steckte viel Kraft, und im Laufe
der Jahre hatte er eine Menge Erfahrung im Umgang mit betrunkenen Holzfällern gesammelt.
    Bruna war keine muskelbepackte Holzfällerin, doch sie machte keineswegs einen eingeschüchterten Eindruck. Sie rührte sich nicht vom Fleck, als Smitt auf sie zustürmte.
    »Na schön!«, schrie sie. »Wirf mich nur raus! Dann kannst du die Kräuter selbst mischen! Zusammen mit Stefny heilst du die Kranken, die Blut spucken und am Dämonenfieber leiden! Wenn ihr schon mal dabei seid, könnt ihr auch gleich noch Hebammendienste leisten! Braut euch eure Heiltränke allein! Lernt, wie man Zündhölzer herstellt! Wozu braucht ihr überhaupt eine alte Hexe wie mich?«
    »Ja, wirklich, das frage ich mich auch!«, warf Darsy ein. Alle gafften sie an, als sie sich neben Smitt stellte.
    »Ich kann ebenso gut Kräuter mischen und als Hebamme arbeiten wie sie«, behauptete das Mädchen.
    »Ha!«, schnaubte Bruna. Sogar Smitt blickte skeptisch drein.
    Darsy ließ sich nicht beirren. »Ich finde, es ist höchste Zeit, dass gewisse Dinge sich hier ändern. Ich kann mich nicht auf hundert Jahre Erfahrung berufen wie Bruna, aber ich laufe auch nicht durch die Gegend und verprügele wahllos Leute, nur weil mir danach zumute ist.«
    Smitt kratzte sich am Kinn und schielte zu Bruna hinüber, die in ein meckerndes Lachen ausbrach.
    »Nur zu, ersetzt mich ruhig durch diesen Trampel«, höhnte sie. »Die Ruhe wird mir guttun. Aber kommt nicht zu mir, wenn dieses dumme Gör näht, was geschnitten werden muss, und schneidet, was sie hätte nähen sollen.«
    »Vielleicht verdient Darsy die Chance, sich zu bewähren«, überlegte Smitt.
    »Also gut, für mich ist der Fall erledigt!« Zur Betonung klopfte Bruna mit ihrem Stock auf den Boden. »Vergesst nicht,
allen Leuten zu sagen, an wen sie sich jetzt wenden müssen, wenn sie krank werden. Ich freue mich schon auf die friedlichen Tage in meiner Hütte!«
    Sie wandte sich an Leesha. »Komm, Mädchen, hilf einer alten Frau, nach Hause zu kommen.« Auf Leeshas Arm gestützt, ging sie zur Tür.
    Als sie an Stefny vorbeikamen, blieb Bruna jedoch noch einmal stehen, zeigte mit dem Stock auf sie und flüsterte ihr etwas zu, das nur die drei Frauen hören konnten. »Wenn du noch ein einziges Mal über dieses Mädchen herziehst oder dir über eine andere Frau das Maul zerreißt, dann wird die ganze Stadt von deiner Schande erfahren.«
    In Stefnys Gesicht zeichnete sich das blanke Entsetzen ab; dieses Bild verfolgte Leesha den ganzen Weg lang bis zu Brunas Hütte.
    Kaum waren sie über die Schwelle getreten, da herrschte Bruna das Mädchen an: »Was ist, Leesha? Stimmt es, was man sich über dich erzählt?«
    »Nein!«, schrie sie. »Ich meine, fast wäre es dazu gekommen … aber ich sagte ihm, er solle aufhören, und dann ließ er mich in Ruhe!«
    Es klang irgendwie lahm und unglaubwürdig, dessen war sie sich bewusst. Plötzlich spürte sie eine schreckliche Angst. Bruna war der einzige Mensch, der für sie eingetreten war. Sie glaubte, sie würde sterben, wenn die alte Frau sie jetzt auch noch für eine Lügnerin hielte.
    »Du … du kannst es nachprüfen, wenn du möchtest«, stammelte sie mit brennenden Wangen. Gegen die Tränen ankämpfend, blickte sie zu Boden.
    Bruna stieß einen Grunzer aus und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Ich glaube dir.«
    »Warum?«, fragte Leesha in beinahe flehendem Ton. »Warum hat Gared so gelogen?«

    »Weil Jungen für genau die Dinge respektiert werden, für die man Mädchen aus der Stadt jagt«, erklärte Bruna. »Weil Männer sich von ihrem Pimmel beherrschen lassen. Weil er ein niederträchtiges, engstirniges kleines Arschloch ist und zu dumm war, zu

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