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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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huschte sie zur Tür hinaus. Sie hoffte, auf dem Weg zum Heiligen Haus niemandem zu begegnen, doch direkt vor dem Haus ihres Vaters warteten Gareds Freunde auf sie
und begrüßten sie mit schrillen Pfiffen und anzüglichem Gejohle.
    »Wir sind nur vorbeigekommen, um uns davon zu überzeugen, dass du und deine Mam nicht mit Gared und Steave in den Betten liegen, wenn sie arbeiten sollten!«, rief Ren ihr zu. Leesha lief puterrot an, aber sie erwiderte nichts, als sie sich an den Burschen vorbeidrängte und die Straße entlangeilte. Ihr hämisches Lachen verfolgte sie noch eine ganze Weile.
    Sie glaubte nicht, dass es reine Einbildung war, wie die Leute sie anstarrten und zu flüstern anfingen, wenn sie an ihnen vorbeikam. Raschen Schrittes steuerte sie auf das Heilige Haus zu, in dem sie sich Schutz vor scheelen Blicken erhoffte, doch als sie dort eintraf, baute sich Stefny in der Tür auf; ihre Nasenflügel blähten sich, als würde Leesha nach der Lauge stinken, die ihr Vater bei der Papierherstellung benutzte.
    »Was soll das?«, fragte Leesha. »Lass mich durch. Ich bin gekommen, um Bruna zu helfen.«
    Stefny schüttelte den Kopf. »Du wirst diesen Heiligen Ort nicht mit deiner Sünde beflecken!«, legte sie los.
    Leesha richtete sich zu ihrer vollen Größe auf; sie überragte Stefny um mehrere Zoll, trotzdem fühlte sie sich wie eine Maus vor einer Katze. »Ich habe keine Sünde begangen«, verteidigte sie sich.
    »Hah!« Stefny gab ein hässliches Lachen von sich. »Das ganze Dorf weiß, dass du es letzte Nacht mit Gared getrieben hast. Ich hatte große Hoffnungen auf dich gesetzt, Mädchen, aber anscheinend schlägst du doch nach deiner Mutter!«
    »Was ist hier los?«, mischte sich Brunas krächzende Stimme ein, ehe Leesha die Sprache wiederfand.
    Stefny drehte sich um, ein Abbild von Hochmut und Stolz, und blickte auf die alte Kräutersammlerin herab. »Dieses Mädchen
ist eine Hure, und ich dulde sie nicht im Haus des Schöpfers.«
    »Ach, du bestimmst jetzt, wer diese Stätte betreten darf und wer nicht? Bist du jetzt vielleicht der Schöpfer?«
    »Hüte deine Lästerzunge, altes Weib«, versetzte Stefny. »Der Wille des Schöpfers steht geschrieben, damit jeder sich nach seinen Worten richten kann.« Sie hielt die in Leder gebundene Ausgabe des Kanons hoch, die sie stets mit sich herumschleppte. »Der Fluch wird nicht von uns genommen, weil es zu viele Menschen gibt, die die Ehe brechen und außerehelichen Verkehr haben. Und zu diesem Gesocks gehören diese Schlampe und ihre liederliche Mutter.«
    »Kannst du Leeshas Verbrechen beweisen?«, fragte Bruna.
    Stefny lächelte. »Gared hat vor jedem, der ihm zuhören wollte, mit ihrer Sünde geprahlt.«
    Bruna stieß ein empörtes Knurren aus und schlug ohne Vorwarnung zu; sie ließ ihren Stock auf Stefnys Kopf niedersausen, und die Frau kippte um wie ein gefällter Baum. »Du verurteilst ein Mädchen, nur weil ein dummer Junge mit seiner Eroberung angibt?«, kreischte sie. »Das genügt dir als Beweis? Diese Burschen lügen, was das Zeug hält, nur um mit ihrer Männlichkeit aufzuschneiden, und das weißt du ganz genau!«
    »Jeder weiß, dass ihre Mutter die Stadthure ist«, schäumte Stefny. Blut rann ihr die Schläfe hinunter. »Warum sollte ihr Balg anders sein?«
    Bruna rammte ihren Stock gegen Stefnys Schulter, und Stefny stieß einen Schmerzensschrei aus.
    »Heda!«, brüllte Smitt und kam herbeigerannt. »Hört auf mit dem Gezänk! Das reicht jetzt!«
    Fürsorger Michel folgte ihm dicht auf den Fersen. »Das hier ist ein Heiliges Haus, und nicht irgendeine Angieranische Taverne …«

    »Das hier ist eine Angelegenheit unter Frauen, und ihr haltet euch gefälligst da raus, sonst könnt ihr was erleben!«, schnappte Bruna und nahm damit den Männern den Wind aus den Segeln. Dann wandte sie sich wieder Stefny zu. »Sag du es ihnen, oder soll ich auch deine Sünde aufdecken?«, zischte sie.
    »Ich habe nicht gesündigt, du alte Hexe!«, wehrte sich Stefny.
    »Ich habe jedem Kind, das in diesem Dorf geboren wurde, auf die Welt geholfen«, raunte Bruna so leise, dass die Männer sie nicht hören konnten. »Und egal, was man über mich sagt, ich kann noch sehr gut sehen, wenn etwas so dicht unter meinen Augen ist wie ein Säugling, den ich aus dem Schoß seiner Mutter ziehe.«
    Stefny erbleichte und richtete das Wort an ihren Mann und den Fürsorger. »Lasst uns allein«, bestimmte sie.
    »Beim Horc, ich werde nichts dergleichen tun!«, donnerte Smitt. Er

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