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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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begreifen, was er an dir hatte.«
    Leesha fing wieder an zu schluchzen. Sie hatte das Gefühl, als könnte sie nie wieder aufhören zu weinen, und wunderte sich, wie ein Körper so viele Tränen hervorbringen konnte.
    Bruna breitete die Arme aus und Leesha warf sich an ihre Brust. »Ist ja gut, Mädchen, ist ja gut«, tröstete die Alte. »Wein dich nur richtig aus, und danach überlegen wir gemeinsam, wie es weitergehen soll.«

    In Brunas Hütte herrschte Stille, während Leesha den Tee aufbrühte. Es war noch früh am Tag, aber sie fühlte sich völlig ausgelaugt. Ihr graute vor der Vorstellung, den Rest ihres Lebens im Tal der Holzfäller verbringen zu müssen. Auf gar keinen Fall wollte sie zurück.
    In einer Woche könnte ich in Fort Rizon sein, grübelte sie. Dort leben Tausende von Menschen. Dort hat niemand etwas von Gareds Lügen gehört. Ich werde versuchen, Klarissa zu finden und …
    Und was dann? Sie wusste, dass sie sich Tagträumen hingab. Selbst wenn sie einen Kurier dazu bewegen konnte, sie mitzunehmen, so verursachte ihr der bloße Gedanke, eine ganze Woche oder gar noch länger auf der offenen Landstraße zu sein, eine Gänsehaut. Außerdem waren die Einwohner von Rizon Bauern und benötigten nur selten jemanden, der ihnen Briefe schrieb; Bedarf an Papier bestand kaum, mit diesem
Handwerk konnte sie sich ihren Lebensunterhalt also nicht verdienen. Vielleicht fand sie ja einen Ehemann, aber nach dem Fiasko mit Gared verspürte sie keine große Lust, ihr Schicksal abermals von einem Mann abhängig zu machen.
    Sie brachte Bruna ihren Tee und hoffte, die alte Frau wüsste eine Lösung für ihr Problem; doch die Kräutersammlerin schwieg und nippte nur in aller Ruhe an ihrem Getränk, während Leesha neben dem Sessel kniete.
    »Was soll ich tun?«, fragte sie schließlich. »Ich kann mich nicht für immer hier verstecken.«
    »Doch, das kannst du«, widersprach Bruna. »Darsy mag ja mit ihren Kenntnissen angeben, wie sie will, aber sie hat nicht einen winzigen Bruchteil dessen behalten, was ich versucht habe, ihr beizubringen, und ich habe ihr nicht mal einen Bruchteil dessen offenbart, was ich weiß. Nicht mehr lange, und die Leute werden hier eintrudeln und mich um Hilfe bitten. Bleib bei mir, und in einem Jahr werden die Menschen aus dem Tal der Holzfäller nicht mehr wissen, wie sie jemals ohne dich ausgekommen sind.«
    »Meine Mutter wird es niemals erlauben«, wandte Leesha ein. »Sie will immer noch, dass ich Gared heirate.«
    Bruna nickte. »Kein Wunder. Sie hat es sich nie verziehen, dass sie von Steave keine Söhne bekommen konnte. Deshalb ist sie so erpicht darauf, dass du ihr Versagen korrigierst.«
    »Ich habe nicht die Absicht, ihr in diesem Punkt zu gehorchen«, erwiderte Leesha. »Eher gebe ich mich der Nacht hin, als dass ich mich von Gared anfassen lasse.« Zu ihrem Schreck bemerkte sie, dass sie tatsächlich meinte, was sie sagte.
    »Das ist sehr tapfer, meine Liebe«, erwiderte Bruna, doch ihre Stimme klang missbilligend. »Du beweist wahren Mut, wenn du wegen der Lüge eines Jungen und weil du dich vor deiner Mutter fürchtest, dein Leben wegwirfst.«

    »Ich habe keine Angst vor Elona!«, widersprach das Mädchen.
    »Aber du traust dich nicht, ihr zu sagen, dass du nicht daran denkst, den Jungen zu heiraten, der deinen guten Ruf ruiniert hat?«
    Leesha verhielt sich eine Weile ganz still und dachte nach. »Du hast Recht, Bruna. Ich fürchte mich vor meiner Mutter.« Die Alte brummte zustimmend.
    Dann stand Leesha auf. »Trotzdem muss ich es hinter mich bringen und ihr sagen, was ich denke. Je eher, desto besser«, erklärte sie. Die Alte erwiderte nichts darauf.
    An der Tür blieb Leesha stehen und sah sich um.
    »Bruna?«, fragte sie. Die Alte brummte wieder etwas in ihren Bart. »Worin bestand Stefnys Sünde?«
    Bruna schlürfte ihren Tee. »Smitt hat drei hübsche Kinder«, antwortete sie.
    »Vier«, berichtigte Leesha.
    Bruna schüttelte den Kopf. »Stefny hat vier Kinder«, betonte sie. »Smitt nur drei.«
    Leeshas Augen weiteten sich vor Staunen. »Wie kann das sein?«, wunderte sie sich. »Stefny verlässt doch niemals die Taverne, außer wenn sie zum Heiligen …« Sie schnappte nach Luft. »Ein Heiliger Mann ist auch nur ein Mann«, schloss Bruna.

    Langsamen Schrittes ging Leesha nach Hause; in Gedanken legte sie sich Worte zurecht, doch im Grunde wusste sie, dass es nicht auf die richtige Formulierung ankam. Wichtig war nur, dass sie Gared nicht heiraten wollte, und wie

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