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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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sputete sich, den Befehl auszuführen. »Packtiere hassen es, in Höhlen untergebracht zu werden«, klärte Ragen den Jungen auf. »Deshalb wartet man so lange wie möglich, ehe man sie hineinführt. Das Pferd kommt immer zuletzt an die Reihe.«
    »Hat dein Pferd keinen Namen?«, fragte Arlen.
    Ragen schüttelte den Kopf. »Meine Pferde müssen sich ihre Namen erst verdienen«, erklärte er. »Die Gilde bildet spezielle Rösser aus, die an die Begegnung mit Horclingen gewöhnt werden, aber viele Pferde scheuen trotzdem und drehen regelrecht durch, wenn sie über Nacht draußen in einem tragbaren Zirkel angepflockt sind. Nur die Tiere, von denen ich weiß, dass sie sich nicht losreißen und weglaufen oder in Panik geraten, bekommen von mir einen Namen. Diesen Gaul habe ich in Angiers gekauft, nachdem mein Pony durchging und von den Horclingen getötet wurde. Wenn diese Stute es bis Miln schafft, gebe ich ihr einen Namen.«
    »Sie wird sich bewähren«, behauptete Arlen und streichelte den Nacken des Tieres. Nachdem Keerin die Maultiere in der Höhle einquartiert hatte, nahm er die Zügel der Stute und führte auch sie hinein.
    Während Ragen und Keerin es sich bequem machten, nahm Arlen den Eingang der Höhle gründlich in Augenschein. In den Stein waren Schutzzeichen eingemeißelt, doch der Boden war frei von Siegeln. »Die Barriere ist unvollständig«, bemerkte er mit einer Geste nach unten.
    »Natürlich ist sie das«, antwortete Ragen. »Erdreich kann man nicht mit Siegeln versehen, oder?« Neugierig blickte er Arlen an. »Was würdest du tun, um den Zirkel zu vervollständigen?«
    Arlen dachte angestrengt nach. Der Höhleneingang stellte keinen perfekten Kreis dar, sondern glich eher einem auf dem
Kopf stehenden U. Diese Form war schwerer zu schützen, aber gar so kompliziert war es nun auch wieder nicht, und die in den Stein geschnitzten Zeichen gehörten zum üblichen Repertoire. Er nahm einen Stock und ritzte magische Zeichen in den Boden, immer darauf achtend, dass ihre Linien glatt an die bereits vorhandenen Schnörkel anschlossen. Dreimal prüfte er sie, dann zog er sich zurück und wartete auf Ragens Kommentar.
    Der Kurier schwieg eine Weile, während er Arlens Arbeit begutachtete, dann nickte er.
    »Gut gemacht«, lobte Ragen, und der Junge strahlte. »Du hast die Zeichen wunderbar miteinander verflochten. Ein festeres Netz hätte auch ich nicht weben können, und obendrein musstest du sämtliche Berechnungen im Kopf anstellen.«
    »Äh, danke«, erwiderte Arlen, obwohl er keine Ahnung hatte, was Ragen meinte.
    Ragen entging nicht, dass der Junge völlig perplex wirkte. »Du hast doch die Gleichungen ausgerechnet, oder nicht?«, hakte er nach.
    »Was ist eine Gleichung?«, fragte Arlen. »Diese Linie hier«, er deutete auf das nächste Siegel, »führt zu dem Zeichen dort …« Er zeigte auf die Wand. »Sie kreuzt die Linien«, mit dem Finger wies er auf andere Bannzeichen, »die sich kreuz und quer mit jenen Strichen überschneiden.« Seine Hand reckte sich in eine bestimmte Richtung. »So einfach ist das.«
    Ragen war baff. »Soll das heißen, dass du lediglich nach Augenmaß gearbeitet hast?«, verlangte er zu wissen.
    Arlen zuckte mit den Schultern, während Ragen ihn mit einem seltsamen Blick anstarrte. »Die meisten Menschen benutzen ein Lineal, um die Ausfluchtung der Linien zu kontrollieren«, räumte er ein, »aber die Mühe mache ich mir nie.«

    »Ich wundere mich, dass Tibbets Bach noch nicht von der Nacht verschlungen wurde«, meinte Ragen. Er zog einen Sack aus seiner Satteltasche, kniete vor dem Höhleneingang nieder und wischte Arlens Siegel weg.
    »In Erdreich eingeritzte Zeichen stellen immer ein Risiko dar, egal, wie gut sie ausgeführt sind«, erklärte er.
    Dann kramte er aus dem Sack eine Handvoll Tafeln aus lackiertem Holz hervor. Er bediente sich eines mit Markierungslinien versehenen Lineals, um die Siegel auszurichten, verteilte flink die Tafeln an den korrekten Stellen und schloss in Windeseile das Netz.

    Es war noch keine Stunde lang dunkel, als der gigantische einarmige Felsendämon auf die Lichtung sprang. Lautstark brüllend fegte er kleinere Horclinge zur Seite, während er auf die Höhle zustapfte und ein herausforderndes Geheul von sich gab. Keerin stöhnte und verzog sich in den hinteren Bereich ihrer Zuflucht.
    »Dieser Dämon hat deine Witterung aufgenommen«, warnte Ragen. »Er wird dir überallhin folgen und nur darauf lauern, dass du dir eine Blöße

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