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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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gibst.«
    Eine geraume Zeit lang beobachtete Arlen das Monstrum und ließ sich Ragens Worte durch den Kopf gehen. Der Dämon knurrte wütend und schlug mit voller Wucht gegen die Barriere, aber die Siegel versprühten ihr Feuer und wehrten jeden Angriff ab. Keerin wimmerte, aber Arlen stand auf und ging zum Höhleneingang. Er blickte dem Horcling fest in die Augen, hob langsam die Hände und schlug sie jählings mit einem lauten Klatschen zusammen, um den Dämon, der nur noch einen Arm hatte, zu verhöhnen.

    »Soll er ruhig seine Zeit verschwenden«, meinte er, als der Dämon in ohnmächtigem Zorn raste. »Mich kriegt er jedenfalls nicht.«

    Fast eine volle Woche lang setzten sie ihre Reise auf der Straße fort. Ragen bog nach Norden ab, durch die Vorberge des Gebirgsmassivs, und sie stiegen höher und höher. Hin und wieder legte Ragen eine Rast ein, um zu jagen, und mit seinen dünnen Wurfspeeren erlegte er Kleinwild aus großer Distanz.
    Die meisten Nächte verbrachten sie in Schutzunterkünften, die in Graigs Reisejournal vermerkt waren, doch zweimal kampierten sie einfach auf der Straße. Wie jedes andere Tier, so wurde auch Ragens Stute durch die sich heranpirschenden Dämonen zu Tode erschreckt, aber sie versuchte nie, sich loszureißen und auszubrechen.
    »Sie verdient einen Namen«, behauptete Arlen wohl zum hundertsten Mal.
    »Also gut, von mir aus«, gab Ragen endlich nach und zerstrubbelte Arlens Schopf. »Du darfst einen aussuchen.«
    Arlen strahlte. »Ich finde, sie sollte Nachtauge heißen«, stellte er fest.
    Ragen betrachtete das Pferd und nickte. »Ein schöner Name«, stimmte er zu.

9
    Fort Miln
    319 NR
     
     
     
    D as Gelände wurde zunehmend felsiger, während die winzigen Höcker am Horizont sich immer weiter vergrößerten. Ragen hatte nicht übertrieben, als er behauptete, dass die Erhöhung in Arlens Heimat, die man »Torfhügel« nannte, hundertmal in einen einzigen Berg hineingepasst hätte, und die Gebirgskette erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Je höher sie stiegen, umso kälter wurde die Luft; kräftige Windböen peitschten durch die Täler der Vorberge. Arlen schaute zurück und sah, dass die ganze Welt sich vor ihm ausbreitete wie eine Landkarte. Er stellte sich vor, wie es wohl sein würde, wenn er nur mit einem Speer und einer Kuriertasche ausgerüstet durch diese Gegend reiste.
    Als dann endlich Fort Miln in Sicht kam, konnte Arlen nicht fassen, was sich seinen Blicken darbot. Trotz Ragens Schilderungen hatte er immer noch angenommen, der Ort sei ähnlich wie Tibbets Bach, nur größer. Um ein Haar wäre er vom Karren gefallen, als die Festungsstadt vor ihnen auftauchte und die Straße überragte.
    Fort Miln war in den Fuß eines Bergs hineingebaut worden und beherrschte ein breites Tal. Am entgegengesetzten Ende
der Senke, gegenüber der Stadt, erhob sich ein zweiter Berg, der exakt so aussah wie der, an den sich die Festung anlehnte. Eine ungefähr dreißig Fuß hohe Mauer umgab die Stadt, doch viele der Gebäude innerhalb des Walls stürmten noch viel höher in den Himmel hinauf. Je näher sie der Stadt kamen, umso gewaltiger wurde deren Ausdehnung; die Ringmauer reichte meilenweit in jede Richtung.
    Die Wälle waren mit den größten Siegeln bemalt, die Arlen je gesehen hatte. Mit den Augen verfolgte er die unsichtbaren Linien, die die Zeichen miteinander verbanden und ein Netz formten, das die Mauer vor angreifenden Horclingen schützte.
    Doch trotz dieser triumphalen Leistung empfand Arlen beim Anblick der gigantischen Wälle einen Anflug von Enttäuschung. Die »Freien« Städte waren im Grunde gar nicht frei. Mauern, die die Horclinge abhielten, sperrten gleichzeitig die dahinter wohnenden Menschen ein. In seinem Heimatdorf Tibbets Bach konnte man die Gefängnismauern wenigstens nicht sehen.
    »Was hindert die Winddämonen daran, über die Begrenzung zu fliegen?«, fragte Arlen.
    »Die Mauerkrone ist mit Siegelpfosten gespickt, die ein Schutzdach über die Stadt spannen«, erklärte Ragen.
    Arlen sagte sich, dass er von selbst auf diese Antwort hätte kommen können, auch ohne Ragens Hilfe. Ihm lagen noch mehr Fragen auf der Zunge, aber er behielt sie für sich, während sein wacher Verstand bereits über mögliche Lösungen nachdachte.

    Die Mittagsstunde war längst vorbei, als sie endlich die Stadt erreichten. Ragen deutete auf eine Rauchsäule, die ein paar Meilen oberhalb der Stadt von der Bergflanke aufstieg.

    »Dort liegen die Minen des Herzogs«,

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