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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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verstohlen über die Schulter. Ein Junge, älter und sehr viel größer als Kolja, stieß ihn vor sich her und zog ihn an den Haaren.
    » Bist du eigentlich ein Mädchen oder ein Junge, mit diesen Locken? « , hänselte ihn der Junge und riss Kolja abermals an den Haaren.
    » Tima! « , heulte Kolja.
    Tima bemühte sich, ihn nicht zu beachten, sondern weiterzuspielen, aber Koljas Schreie wurden immer lauter, bis sie plötzlich verstummten.
    Einer seiner Kameraden neckte ihn: » Schau dir deinen Bruder an. «
    Da ließ er seinen Stein fallen und drehte den Kopf in Richtung seines Bruders. Kolja lag reglos auf dem Boden. Tima sprang auf und rannte zu ihm. » Kolja « , sagte er und schüttelte ihn an der Schulter. » Kolja, mach die Augen auf. «
    Einen Moment später öffnete Kolja die Augen. » Er hat mich gestoßen, Tima. « Er atmete zittrig ein, versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. » Keine Sorge, Tima, ich werd’s Mama nicht erzählen. «
    Tima zerrte ihn an seiner Jacke zu sich hoch. Koljas Wange war an einer Stelle ein wenig aufgeschürft, wahrscheinlich von einem scharfen Stein. Es hatte bereits wieder aufgehört zu bluten. » Dir fehlt nichts. « Er spuckte auf seine Finger und wischte das Blut von Koljas Wange. Es war nur eine Schramme.
    » Ich habe dich gerufen, Tima. Aber du bist nicht gekommen. « Kolja sah ihn traurig an. » Du bist nicht gekommen. «
    Timofei zuckte die Achseln. » Wir müssen jetzt nach Hause. Und vergiss nicht, du hast versprochen, es Mama und Papa nicht zu erzählen. «
    Kolja wollte Timas Hand ergreifen, aber Tima entzog sie ihm und ließ seinen Bruder hinter sich hertrotten, bis sie zu Hause waren.
    In den folgenden Jahren sollte er weder diesen Ausdruck auf Koljas Gesicht vergessen noch den Klang seiner Stimme in jenem Moment, noch dass er dessen Hand abgeschüttelt hatte.
    Während er sich selbst mit dem gleichförmigen, ereignislosen Leben in Tschita abgefunden hatte, wünschte Aleksandr Kasakow sich, seinen Söhnen mehr bieten zu können. Er wusste, was die Zukunft für sie in der sibirischen Kleinstadt fernab der Zivilisation bereithielt. Oft malte er sich aus, welche Laufbahn Timofei in der Armee hätte einschlagen können, oder stellte sich Nikolai als Musiker in einem Orchester vor, das vor einem wertschätzenden Publikum in Sankt Petersburg oder Moskau spielte. Aber er wusste, dass dies nichts weiter als Träume waren.
    Als Tima vierzehn und Kolja sieben war, gewahrte Aleksandr zum ersten Mal einen blutigen Auswurf, den er in sein Taschentuch hustete, und es überlief ihn kalt. Solange es ging, verbarg er es vor seiner Frau und seinen Söhnen. Aber nach und nach versetzten sein ewiges und hartnäckiges Husten und der blutige Auswurf seine Frau in Angst und Schrecken, sodass er beschloss, Vorkehrungen zu treffen.
    Für Aleksandr stand fest, dass Timofei den Betrieb übernehmen würde. Bereits am ersten Tag, da er dem Jungen eine Holzbohle in die Hand gedrückt und ihm gezeigt hatte, was er damit tun sollte, hatte der Junge außergewöhnliches Geschick bewiesen. Mehr noch: Der Junge konnte gut mit Zahlen umgehen und war, wie Aleksandr im vergangenen Jahr bemerkt hatte, im Schreiben von Rechnungen und dem Eintreiben von Außenständen schneller und gewiefter als er.
    » Ich bin stolz, einen Sohn zu haben, der in der Lage ist, den Betrieb weiterzuführen « , sagte er oft zu Timofei. » Du wirst nie Hunger leiden, denn die Menschen werden immer Fässer benötigen. Und wenn es an der Zeit ist, dass du heiratest und eine Familie gründest, wirst du den Deinen ein gutes Leben bieten können. Was deinen Bruder betrifft … nun, so hat er das Glück, dass du immer hier sein wirst, um dich um ihn zu kümmern. Er wird dich brauchen, Tima. Wenn deine Mutter und ich mal nicht mehr sind, wirst du seine einzige Familie sein. « Insgeheim machte er sich allerdings Gedanken, ob Tima die Verantwortung für seinen Bruder tatsächlich ernst genug nehmen würde.
    Ihm war nicht entgangen, dass sein Sohn eine gewisse Abenteuerlust hegte und zur Widerspenstigkeit neigte, was die Ausführung von Befehlen anging. Aleksandr spürte die Rastlosigkeit seines ältesten Sohnes, glaubte aber dennoch, dass sich Timofei glücklich schätzen würde, seine Nachfolge im Familienbetrieb anzutreten.
    Timofei indes hielt wenig von der Zukunft, die sein Vater sich für ihn ausmalte. Aleksandrs Geschichten von seinem früheren Leben in Russland und seinen Reisen nach Europa hatten in ihm den Wunsch erweckt,

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