Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
Vom Netzwerk:
nicht, Tosja? Du bist doch so klug, durchschaust du es denn nicht? «
    Antonina sieht sie einfach nur abwartend an, weil sie weiß, dass Lilja ihr ohnehin gleich erklären wird, was sie durchschauen soll.
    Und das tut Lilja auch. Aber diesmal klingt ihre Erklärung anders als Grischa gegenüber.
    » Er weiß, dass du unerreichbar für ihn bist. Auch wenn er jetzt ein freier Mann ist, aber was bedeutet das schon? In Russland sind jetzt alle Menschen frei. Aber heißt das, dass du dich mit dem Dorfmetzger oder dem Schmied einlassen würdest? Oder mit einem Händler, der ein paar Ballen Stoff verkauft, oder einem ehemaligen Verwalter, der jetzt ein paar Parzellen Land besitzt? « Den letzten Teil fügt sie probehalber hinzu, um Antoninas Reaktion auszuloten, doch deren Miene bleibt undurchdringlich. » Du darfst nicht vergessen, welchem Stand du angehörst, Tosja. In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert. Aber du hast nur ein bisschen mit ihm gespielt. «
    » Mit ihm gespielt? «
    » Du hast dafür gesorgt, dass er sich in dich verliebt, stimmt doch? Und dass er das ist, kann ja jeder sehen. « Lilja schüttelt den Kopf. » Was machst du nur, Antonina Leonidowna? « , sagt sie, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. » Was machst du bloß? Du hast Kropotkin in eine unmögliche Situation gebracht. In deinem Leben ist kein Platz für ihn. Du hast deinen Stand verraten und ihm damit ganz und gar keinen Gefallen erwiesen. «
    Antonina weicht Liljas eindringlichem Blick aus.
    » Zwischen euch kann nie etwas sein « , sagt Lilja, noch leiser, aber mit fester Stimme. » Das ist dir doch auch klar, Antonina. Auf den ersten Blick mag er ja ein guter Mensch sein, aber das ist er nicht. Er ist nicht der richtige Mann, wäre es auch nicht, wenn er deiner Schicht angehören würde. Du wirst nie einen Mann finden, der deine Stärke erträgt, einen, der versteht, was du alles durchgemacht hast. Was wir alle auf Angelkow durchgemacht haben. « Sie kniet sich vor Antonina und ergreift ihre Hände.
    » Schau nur, wie gut du ohne deinen Mann zurechtkommst. Er war vom ersten Tag an, als Mischa entführt wurde, nutzlos, während du tapfer durchgehalten hast. Und nun musst du diesen Musiker loslassen. Der Mann muss ja auch so schon leiden, wie du weißt. « Lilja hat die Stimme noch mehr gesenkt, sie klingt besänftigend und mitfühlend.
    » Ich habe für Walentin immer nur freundschaftliche Gefühle gehegt, Lilja. Und ich glaube auch nicht, dass er für mich andere Gefühle hegt, wie du vermutest. Wir haben einfach nur die Gesellschaft des anderen genossen, mehr nicht. «
    » Sicher, Antonina? «
    » Glaubst du mir nicht? « Antonina zieht ihre Hände zurück und steht auf.
    » Niemand kennt dich so gut wie ich, Tosja. Niemand « , wiederholt Lilja, noch immer auf dem Boden kniend, mit sanfter Stimme.
    Antonina sagt nichts. Sie setzt sich auf die Fensterbank und blickt in den brachliegenden Garten hinaus.

FÜNFUNDDREISSIG
    D er Himmel ist voller Sterne, und der Vollmond gießt sein silbernes Licht auf die Straße.
    Tinka schläft vor dem behaglichen Kaminfeuer im Musiksalon; Antonina hat beschlossen, hier zu Abend zu essen. Der Rest des Hauses liegt im Dunkeln, abgesehen von der Küche, wo die Bediensteten die letzten Arbeiten des Tages verrichten. Es macht keinen Sinn, im ganzen Haus die Kamine und Öfen anzuheizen, wo doch fast alle Räume unbewohnt sind.
    Antoninas Blick streift die Wodkaflasche, die Pawel auf ihren Wunsch hin auf den Tisch neben der Tür gestellt hat. Doch sie lässt sie unberührt und schlüpft stattdessen in ihren Mantel. Sie lässt Tinka weiterschlafen und begibt sich mit ihrer Teetasse auf die Veranda, um die Sterne zu betrachten. Sie erkennt einige Sternbilder und muss sofort daran denken, wie sie sie Mischa zeigte.
    Die nächtliche Stille wird zerrissen von entferntem Hundegebell aus dem nächsten Dorf. Ihre zwei Harrier, die auf dem Boden neben der Tür liegen, erheben sich lautlos. Hufgetrappel erklingt auf der Auffahrt. Als Pferd und Reiter näher kommen, erkennt sie im Mondschein, dass es Walentin ist. Sie stellt ihre Teetasse auf das Verandageländer und steigt die Stufen hinab. Die Hunde drängen sich an ihre Beine; sie legt beiden beruhigend eine Hand auf den Kopf.
    » Dann haben Sie also meinen Brief bekommen « , sagt Walentin. Er sitzt ab und geht auf sie zu. » Danke, dass Sie auf mich gewartet haben. Ich wollte eigentlich früher kommen, aber es war mir nicht möglich. «
    Antonina schüttelt den

Weitere Kostenlose Bücher