Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Noch ehe er den Mund aufmachen kann, sagt sie ihm, dass Gräfin Mitlowskaja schläft und den ausdrücklichen Wunsch geäußert habe, nicht gestört zu werden. Von niemandem, fügt Lilja hinzu. Sie weiß, dass Antonina inzwischen so viel getrunken hat, dass sie ohnehin nichts mehr mitbekommt.
» Wo finde ich den Verwalter? « , fragt der Mann.
Lilja runzelt die Stirn. » Was wollen Sie von Grischa? «
» Das geht Sie nichts an « , entgegnet Walentin. » Also, wo ist er? «
» Ich nehme an, er ist in seinem Haus « , sagt Lilja.
» Und wo ist das? « Walentin gelingt es nur mit Mühe, seine Wut bezähmen. Ihm ist nicht entgangen, dass diese Frau Antonina am liebsten nicht von der Seite weichen würde. Dass sie immer wieder einen neuen Vorwand fand, um sich während seiner Besuche im Zimmer herumzudrücken und ihm düstere Blicke zuzuwerfen, wenn sie dachte, ihre Herrin würde es nicht bemerken.
Lilja nickt in Richtung des Dienstbotenquartiers. » Einfach daran vorbei und die Straße weitergehen. Dahinter kommt nur noch sein Haus. «
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht.
Lilja beobachtet mit zusammengepressten Lippen, wie er sich entfernt. Grischa wird dafür sorgen, dass dieser Kropotkin nicht länger in Angelkow herumlungert.
Als es klopft, öffnet Grischa die Tür.
» Woher wussten Sie, wo Sie mich finden? « , fragt er.
» Diese griesgrämige Dienerin aus dem Gutshaus hat es mir gesagt. Darf ich einen Moment hereinkommen? «
Grischa tritt zur Seite und lässt Walentin eintreten, dann schließt er die Tür hinter ihm. » Was wollen Sie? «
Walentin ist klar, dass Grischa ihm nicht anbieten wird, sich am Kamin aufzuwärmen. Aber das macht nichts. Er will den Verwalter nur etwas fragen, und das wird nicht lange dauern. » Ich bin hergeritten, weil ich mit Gräfin Mitlowskaja sprechen wollte. «
» Ich habe gehört, Sie haben das Gut der Bakanews verlassen. «
» Ja, ich wohne in einem Gasthof im nächsten Dorf. Diese Dienerin hat mir gesagt, dass die Gräfin schon schläft. Ich vermute, dass sie lügt. «
Grischa verschränkt die Arme vor der Brust. » Sie erfindet ihre eigenen Wahrheiten. «
» Dieses ungehobelte Weib hat von Anfang an keinen Hehl aus ihrer Abneigung mir gegenüber gemacht. « Walentin durchbohrt Grischa mit seinem Blick. » Es ist klar, dass mich niemand auf Angelkow willkommen heißt außer der Grundbesitzerin selbst, aber nur darauf kommt es schließlich an. « Seine Stimme wird lauter, bekommt einen wütenden Klang, und er tritt weiter in den Raum hinein, obwohl Grischa ihn finster beobachtet. » Gräfin Mitlowskaja schien meine Musik und unsere Gespräche sehr zu genießen. Und ich habe ihre Gesellschaft ebenfalls genossen. Aber irgendjemand … « – er unterbricht sich kurz – » muss schäbige Lügen über mich verbreitet haben. «
Grischa schweigt noch immer. Walentin betrachtet kurz das volle Buchregal. Seltsam für einen Mann, der vermutlich sein halbes Leben damit verbrachte, Leibeigene auf Angelkow auszupeitschen, denkt er. Aber soviel er mitbekommen hat, gibt es in dieser Hinsicht nicht mehr viel für den Verwalter zu tun.
» Dann haben Sie also gehört, dass ich von den Bakanews entlassen wurde. « Als Grischa immer noch nichts sagt, fügt er hinzu: » Bestimmt ergötzt sich die halbe Provinz an diesem kleinen Skandal. Aber ich muss unbedingt mit der Gräfin sprechen. Ich muss mich davon überzeugen, dass sie nicht darunter leiden muss. Das Letzte, was ich wollte, war, ihr noch mehr Schmerz und Kummer zuzufügen. Ihr Maß ist wahrlich voll, und sie sollte nicht auch noch zum Ziel von bösartigem Klatsch werden, der ihren guten Ruf zerstört. Was meinen betrifft « – er lässt ein höhnisches Lachen vernehmen –, » so kann ich von Glück reden, wenn ich noch für ein oder zwei Tage Arbeit in der Provinz Pskow finde, bevor die Bakanews ihren Verleumdungsfeldzug zu Ende geführt haben. «
» Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat « , sagt Grischa, der überzeugt ist, Walentin wolle ihn beschuldigen, dass er die Lügen über ihn in Umlauf gebracht habe. Tatsächlich ist er mit dem Verwalter der Bakanews befreundet. Ein paar Worte genügten, mehr brauchte er nicht zu tun.
» Ich habe einen Brief an die Gräfin geschrieben. Zuerst wollte ich ihn aufgeben, aber dann beschloss ich, mich lieber persönlich davon zu überzeugen, dass es ihr gut geht. Doch als diese Dienerin mich nicht einließ, fand ich es nicht ratsam, ihr den Brief zu übergeben.
Weitere Kostenlose Bücher