Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
von seinem Buch zu heben, sagte der Prinz abwesend: » Was gibt es, Tosja? «
» Ich habe einen Welpen, schau mal. « Sie drückte die Lippen auf den Kopf des Hundes, während er sich in ihren Armen wand.
Ihr Vater sah hoch und nahm die Brille ab. » Wie bitte? Was ist das denn? Wo hast du den her? «
» Ich … ich habe ihn im Wald gefunden. Er war ganz allein, Papotschka, und hungrig. Da habe ich ihn nach Hause mitgenommen. Ich möchte ihn gern behalten. «
Ihr Vater stand auf, kam näher und betrachtete den Hund. » Nein. «
» Papa, bitte! Warum denn nicht? Ich werde mich um ihn kümmern. Ich werde ihn füttern und dafür sorgen, dass er keinen Ärger macht. Wir haben doch schon Hunde. Auf einen mehr kommt es nicht an. « Ihr Blick wanderte zu den drei Barsoi. Die Windhunde rührten sich zwar nicht von ihrem Platz, nahmen aber sehr wohl den Geruch des Welpen auf und hoben alarmiert die langen Schnauzen von den ebenso langen und eleganten Pfoten und schnupperten. Drei Augenpaare hefteten sich auf das Wesen in Antoninas Armen.
» Meine Windhunde sind abgerichtete Jagdhunde. Sie haben ihre feste Aufgabe. Sie werden gut behandelt, weil sie es sich verdienen. Und den Hof bewachen unsere Elsässischen Wolfshunde. Sie kennen ebenfalls ihren Platz und wissen, was man von ihnen erwartet. Aber dieser Hund erfüllt keine Aufgabe. «
Antonina sah abermals zu den Windhunden. Es waren immer drei; wenn einer erkrankte oder bei der Jagd getötet wurde, ersetzte ihr Vater ihn umgehend. Die Hunde waren das Ergebnis einer sorgfältigen Züchtung und verfügten über einen ausgeprägten Instinkt, ein sich bewegendes Zielobjekt zu verfolgen. Sie jagten Rotwild ebenso zuverlässig wie einen Wolf. Antonina wusste, dass sie einen Wolf fangen und ihn an der Kehle gepackt halten konnten, bis ihr Vater oder ihre Brüder oder einer ihrer Jagdgäste erschienen, um ihn zu töten.
Schon als kleines Kind hatte man Antonina eingebläut, dass sich die Barsoi nicht für harmlose Vergnügungen wie zum Beispiel Stöckchen holen oder Herumtollen eigneten. Sie waren unnahbar, still und anmutig, aber auch sensibel und reagierten nervös, wenn es um sie herum lebhaft zuging. Für Kinder mit ihren unvorhergesehenen Bewegungen und lauten Geräusche konnten sie gefährlich werden, hatte ihr Vater ihr erklärt. Wenn sie sich ihnen zu schnell und abrupt näherte, könne es sein, dass sie nach ihr schnappten. Auch jetzt noch, da sie kein Kind mehr war und gut darauf achten konnte, keine spontanen Bewegungen zu machen, hatte sie nichts mit diesen Hunden zu schaffen. Sie gehörten ihrem Vater. Sie kannte ihre Namen, mehr nicht.
» Dein Dorfköter ist ein schlecht erzogener Laika. Das Einzige, was er je können wird, ist, zu bellen und einen Karren zu ziehen. Er hat keinen Stammbaum. Weißt du, dass man diese Hunde hier – meine Hunde – nicht kaufen kann? «
Sesja befreite seine Schnauze aus ihrer Umklammerung und gab ein kurzes Bellen von sich. Sofort erhoben sich die drei Barsoi und sahen ihren Herrn an, als warteten sie auf ein Zeichen, sich auf den kleinen Eindringling zu stürzen. Wieder bellte Sesja und zappelte, und Antonina setzte ihn auf den Boden. Die Barsoi spannten sich an und sahen von ihrem Herrn zu dem kleinen Hund.
» Platz « , sagte er, und die drei Windhunde sanken gleichzeitig auf den Boden, ohne jedoch den Welpen aus den Augen zu lassen und offenkundig jederzeit zum Angriff bereit.
» Sie stammen aus der Zucht des Zaren « , fuhr ihr Vater fort, während Sesja an seinen Stiefeln schnupperte. » Nur ausgewählte Grundbesitzer, die sich verdient gemacht haben, nur jene, die über sehr viel Grund und zahlreiche Seelen verfügen und ihre Steuern stets pünktlich bezahlen, bekommen sie als Anerkennung geschenkt. Hey! « , rief er plötzlich und stieß den Welpen weg. Sesja hatte seine kleinen, scharfen Zähne in die Spitze seines ledernen Reitstiefels gegraben. » Siehst du, bereits jetzt zeigt sich sein Charakter. «
Ihr Vater hob den Fuß, damit Antonina den Abdruck der winzigen Zähne auf dem Leder sehen konnte. Sie kniete sich nieder und hielt Sesja fest.
» Keiner meiner Hunde hat jemals solche Unarten an den Tag gelegt. «
» Ich bitte dich nie um etwas, Papa « , sagte Antonina. » Nur dieses eine Mal, bitte, Papa. « Sie ließ Sesja erneut los und richtete sich wieder auf. Mit gesenktem Kinn stand sie da und hob kokett den Blick zu ihrem Vater. Eine Taktik, die sie früher, als sie noch jünger war, öfter angewandt
Weitere Kostenlose Bücher